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UNIS/NAR/1080
24. Juni 2010

UNODC Welt-Drogenbericht 2010 zeigt:
Trend geht zu neuen Drogen und neuen Märkten

Bericht hebt Gefahren für Gesundheit und Sicherheit hervor

WIEN, 23. Juni (UN Informationsdienst) - Der Welt-Drogenbericht 2010, der im National Press Club in Washington vom UN-Büro für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC) vorgestellt wurde, zeigt, dass der Trend zu neuen Drogen und neuen Märkten geht. Der Drogenanbau geht in Afghanistan (Opium) und in den Anden-Ländern (Coca) zurück und der Drogenkonsum hat sich in der entwickelten Welt stabilisiert. In Entwicklungsländern zeichnet sich aber ein genereller Anstieg des Konsums ab. Der Verbrauch an synthetischen Drogen und Medikamentenmissbrauch ist weltweit angestiegen.

Anbau von Opium und Kokain gesunken

Der Bericht zeigt, dass die weltweite Verfügbarkeit von Opiaten und Kokain zurückgeht. Die Anbaufläche von Opium ist in den letzten beiden Jahren um fast ein Viertel gesunken (23 Prozent). Die Produktion von Opium scheint in 2010 stark zurückzugehen, da Schädlinge ein Viertel der Mohnernte in Afghanistan vernichten könnten. Der Anbau von Coca, in den letzten zehn Jahren ohnehin um 28 Prozent reduziert, ist auch 2009 weiter zurückgegangen. Die weltweite Produktion von Kokain ist um 12 bis 18 Prozent in den Jahren 2007-2009 gesunken.

Heroin: Produktion geht zurück, wenig Fahndungserfolge

2009 wurde mit 657 Tonnen 13 Prozent weniger Heroin hergestellt, was auf die geringere Opium-Produktion in Afghanistan und Myanmar zurück zu führen ist. Den Markt erreicht allerdings viel weniger Heroin (etwa 430 Tonnen), da eine beträchtliche Menge Opium eingelagert wird. UNODC schätzt, dass derzeit mehr als 12.000 Tonnen afghanisches Opium oder das Zweieinhalbfache der jährlichen Nachfrage auf Lager ist.

Der globale Heroinmarkt mit einem Umsatz von geschätzten 55 Mrd. Dollar konzentriert sich in Afghanistan, Russland, Iran und Westeuropa - diese Regionen konsumieren über die Hälfte des weltweit hergestellten Heroins.

Obwohl Afghanistan am meisten Opiate weltweit produziert, beschlagnahmt es weniger als zwei Prozent davon. Der Iran und die Türkei sind hier führend, mehr als die Hälfte des weltweit beschlagnahmten Heroins wurden dort sichergestellt. Fahndungserfolge sind anderswo viel niedriger. Entlang der Nordroute beschlagnahmen die zentralasiatischen Länder nur magere fünf Prozent der 90 Tonnen Heroin, die dort Richtung Russland passieren. Russland, das 20 Prozent des afghanischen Heroins konsumiert, fängt nur vier Prozent der Gesamtmenge ab. Die Zahlen der Balkan-Route sind noch schlechter: einige Länder Südosteuropas, darunter EU-Mitgliedstaaten, fangen weniger als zwei Prozent des Heroins ab, das ihr Land durchquert.

Kokainmarkt verändert sich

Laut Welt-Drogenbericht 2010 ist der Kokain-Konsum in den USA in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Das Volumen des US-Kokainmarktes ist in den 90er Jahren um ungefähr zwei Drittel gesunken und in den letzten 10 Jahren um weitere 25 Prozent. "Einer der Gründe für die Gewaltausbrüche in Mexiko ist der Kampf der Kartelle um schrumpfende Märkte", so UNODC Exekutivdirektor Antonio Maria Costa. Dieser Kampf ist ein Segen für Amerika, da es durch die daraus resultierende Kokain-Flaute weniger Abhängige, höhere Preise und weniger reinen Stoff gibt.

Das Problem hat sich teilweise über den Atlantik verlagert: die Anzahl der Kokain-Konsumenten hat sich in Europa in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, von zwei Millionen 1998 auf 4,1 Millionen in 2008. Der europäische Markt (34 Mrd. Dollar) war im Jahr 2008 bereits fast genauso groß wie der nordamerikanische (37 Mrd. Dollar). Das hat auch zu veränderten Transportwegen geführt; zunehmend wird Kokain nun von Südamerika über Westafrika nach Europa gebracht, was zu Instabilität in diesen Regionen führt. "Kokainschnupfer in Europa zerstören die Urwälder in den Anden-Ländern und korrumpieren die Regierungen Westafrikas", so Costa.

Mehr als doppelt soviel synthetische Drogen konsumiert wie Opiate und Kokain zusammen

Die Anzahl der Leute, die amphetaminartige Aufputschmittel (ATS) nimmt, weltweit sind das etwa 30-40 Millionen, wird wohl bald die der Opium- und Kokainkonsumenten übersteigen. Es gibt auch Belege für einen erhöhten Medikamentenmissbrauch. "Wir werden das Drogenproblem auf der Welt nicht lösen, wenn wir die Abhängigen einfach von Kokain und Heroin zu anderen Substanzen abwandern lassen - davon gibt es eine fast unbegrenzte Menge, die in Mafia-Laboren zu Spottpreisen hergestellt wird", warnte Costa.

Der ATS-Markt ist schwerer zu überschauen, weil es kürzere Transportwege gibt (die Herstellung erfolgt meist nahe am Konsum) und die Ausgangsstoffe legal und frei verfügbar sind. Die Hersteller können neue Produkte schnell vermarkten. "Diese neuen Drogen stellen ein zweifaches Problem dar. Sie werden viel schneller hergestellt, als Rechtssprechung und Strafverfolgung reagieren können. Und zweitens können sie besonders gut vermarktet werden, da bereits ihre Herstellung auf die jeweiligen Konsumenten und Umstände zugeschnitten ist", so Costa.

Die Anzahl der geheimen Labore für synthetische Drogen ist in 2008 um 20 Prozent gestiegen, auch in Ländern, in denen es zuvor überhaupt keine solchen Labore gab.

Die 'Ecstasy'-Produktion ist in Nordamerika (besonders in Kanada) und einigen Teilen Asiens gestiegen und auch der Konsum scheint in Asien zu steigen. In Europa dagegen ist der 'Ecstasy'-Verbrauch gesunken seit 2006. Auch hier zeigt sich, wie flexibel die Märkte geworden sind.

Cannabis bleibt die Nummer 1

Cannabis bleibt die weltweit am meisten hergestellte und konsumierte illegale Substanz: sie wird in fast allen Ländern der Erde angebaut und von 130-190 Millionen Menschen weltweit mindestens einmal pro Jahr geraucht - wobei diese Parameter nicht besonders viel über Abhängigkeit aussagen. Die Tatsache, dass der Cannabis-Konsum in einigen der größten Märkte zurück geht - namentlich Nordamerika und einigen Teilen Europas - ist ein weiterer Indikator für die Verlagerung der Märkte.

UNODC hat in 29 Ländern, speziell in Europa, Australien und Nordamerika, kommerzielle Produktionsstätten für Cannabis-Anbau identifiziert. Der Anbau in geschlossenen Hallen ist lukrativ und eine zunehmende Einnahmenquelle für kriminelle Banden. Seit 2009 ist Afghanistan der weltweit führende Hersteller von Cannabis-Harz (ebenso wie Opium).

Therapieplätze nicht ausreichend

Der Welt-Drogenbericht 2010 deckt einen eklatanten Mangel an Therapieeinrichtungen weltweit auf. "Während sich reiche Leute in reichen Ländern eine Behandlung leisten können, müssen arme Leute und/oder arme Länder die gesundheitlichen Konsequenzen ohne Hilfe tragen", warnte der UNODC-Chef. Der Bericht geht davon aus, dass 2008 nur rund ein Fünftel der Drogenabhängigen weltweit Zugang zu medizinischer Behandlung hatte, was bedeutet, dass rund 20 Millionen Drogenanhängige ohne Versorgung waren. "Es wird Zeit, dass es Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten für alle gibt", so Costa.

Er forderte, Gesundheit in den Mittelpunkt der Drogenkontrolle zu rücken. "Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, die behandelt werden kann, sie muss nicht ein Leben lang andauern. Drogenabhängige sollten in die Therapie geschickt werden und nicht ins Gefängnis. Und die Behandlung sollte Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung sein".

Er forderte in diesem Zusammenhang auch mehr Beachtung der Menschenrechte ein. "Nur weil jemand Drogen nimmt oder im Gefängnis ist, ist er nicht rechtlos. I appelliere an Länder, in denen Menschen wegen Drogenmissbrauchs exekutiert oder sogar von außergerichtlichen Kommandos erschossen werden, diese Praxis zu beenden".

Alarmsignale in Entwicklungsländern

Costa hob besonders die Gefahren des Drogenmissbrauchs in Entwicklungsländern hervor. "Die Marktmechanismen haben die asymmetrischen Bedingungen der Drogenwirtschaft hergestellt; die größten Konsumenten des Gifts (die reichen Länder) haben in den armen Ländern (die Hauptanbaugebiete und Transportwege) die größten Schäden angerichtet", so Costa. "Arme Länder können die Konsequenzen von erhöhtem Drogenmissbrauch nicht ausgleichen. Die Entwicklungsländer sehen sich einer drohenden Krise gegenüber, die Millionen in das Elend der Drogenabhängigkeit führen könnte".

Er zitierte den boomenden Heroin-Konsum in Ostafrika, den steigenden Kokain-Verbrauch in Westafrika und Südamerika und steigende Produktion und Missbrauch synthetischer Drogen im Nahen Osten und Südostasien. "Wir werden die Drogenprobleme der Welt nicht lösen können, indem wir den Konsum von der entwickelten Welt in die Entwicklungsländer verlagern", so Costa.

Drogenrouten und Instabilität

Der Welt-Drogenbericht 2010 beinhaltet ein Kapitel zum destabilisierenden Einfluss des Drogentransports auf die Durchgangsländer, mit besonderem Augenmerk auf Kokain. Es zeigt, wie schwache Entwicklung und Regierungsführung Kriminalität anziehen, während Kriminalität im Gegenzug Instabilität erzeugt. Es zeigt wie Reichtum, Gewalt und Macht im Zusammenhang mit Drogen die Sicherheit und sogar die Souveränität von Staaten beeinträchtigen können. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich im vergangenen Jahr mehrfach mit den Sicherheitsproblemen befasst, die vom Transport von Drogen ausgehen.

Während drogenbedingte Gewalt in Mexiko eine ganze Menge Aufmerksamkeit bekommt, ist das nördliche Dreieck Zentralamerikas bestehend aus Guatemala, Honduras und El Salvador eigentlich noch stärker betroffen. Die Mordraten sind dort viel höher als in Mexiko. Der Bericht zeigt, dass von Venezuela aus jetzt viel Kokain nach Europa transportiert wird: zwischen 2006 und 2008 kam mehr als die Hälfte aller entdeckten Transporte aus Venezuela.

Der Bericht hebt die instabile Situation in Westafrika hervor, das ein Hauptumschlagplatz für Kokain geworden ist. Es wird festgestellt, dass "Händler die Protagonisten einiger autoritärer Staaten vereinnahmen konnten", mit Hinweis auf den Fall Guinea-Bissau.

Costa forderte mehr Entwicklung, um die Anfälligkeit für Kriminalität zu senken und eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, um den Drogenhandel einzudämmen. "Wenn wir der organisierten Kriminalität nicht Herr werden, werden unsere Gesellschaften ihre Geiseln sein - und Drogenkontrolle wird gefährdet durch den immer wiederkehrenden Ruf nach der Abschaffung der UNO-Abkommen, die nach Meinung der Kritiker für Kriminalität und Instabilität sorgen. Das würde das Erreichte rückgängig machen und ein Desaster für die Gesundheit der Menschen bedeuten", warnte Costa. Doch bis Drogenprävention und -therapie endlich ernst genommen werden, wird die Unterstützung für die UNO-Abkommen zu Drogen weiter schwinden.

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Für weiterführende Informationen wenden Sie sich bitte an:

Walter Kemp
Sprecher und Redenschreiber, UNODC
Mobil: (+43-699) 1459-5629
Email: walter.kemp@unodc.org

Der gesamte Bericht ist auch als gedruckte Ausgabe erhältlich, oder auf der Internetseite von UNODC unter www.unodc.org

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