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UNIS/NAR/1374
5. März 2019
Der Internationale Suchtstoffkontrollrat, in seinem Jahresbericht 2018,
- äußert Besorgnis über rechtliche Entwicklungen beim nicht-medizinischen Gebrauch von Cannabis, welche im Widerspruch mit den Drogenkontrollübereinkommen stehen, und die ein Gesundheitsrisiko darstellen;
- warnt vor den Risiken der schlecht kontrollierten medizinischen Cannabis-Programme, die negative Auswirkungen auf das Gesundheitswesen haben könnten und den nicht-medizinischen Gebrauch von Cannabis erhöhen könnten;
- appelliert an Regierungen, mehr dafür zu tun, um zu gewährleisten, dass Schmerzbehandlungen und andere Medikamente für all jene verfügbar sind, die sie brauchen, und veröffentlicht ein Sondergutachten zu dem Thema;
- sagt, dass bemerkenswerte Resultate erzielt wurden, indem gestoppt wurde, dass Vorläuferchemikalien in die illegale Herstellung umgeleitet wurden; aber es braucht neue Wege, um mit "designer precursors" und neuen psychoaktiven Substanzen effizient umzugehen;
- drängt auf weitere Unterstützung für Afghanistan; und
- verurteilt außergerichtliche Gewalttaten gegen Menschen, die mutmaßlich drogenbezogene Handlungen begangen haben, und fordert Regierungen auf, drogenbezogene Verbrechen mittels formellen strafrechtlichen Verfolgungen zu behandeln, unter Achtung der Menschenrechte.
WIEN, 5. März (UNO-Informationsdienst) - Der Jahresbericht 2018 des Internationalen Suchtstoffkontrollrates warnt, dass ungenügend regulierte Cannabis-Programme für medizinische Zwecke zu einer erhöhten Umlenkung von Cannabis und Cannabinoiden und einem erhöhten Gebrauch dieser Droge "für Freizeitzwecke" führen könnten.
Risiken von ungenügend regulierten Cannabis-Programmen für medizinische Zwecke hervorgehoben
Der Bericht untersucht eingehend die Risiken und Vorteile des medizinischen und wissenschaftlichen Gebrauchs von Cannabis und Cannabinoiden und die Auswirkungen des Gebrauchs "für Freizeitzwecke". Er stellt fest, dass ungenügend regulierte Cannabis-Programme für medizinische Zwecke, die nicht den Drogenkontrollübereinkommen entsprechen, zu einer Umlenkung für den nicht-medizinischen Gebrauch führen können und so die öffentliche Gesundheit beeinträchtigen könnten.
INCB-Präsident Viroj Sumyai sagte: "Der Schwerpunkt unseres Berichtes über den Gebrauch von Cannabis und Cannabinoiden kommt zur richtigen Zeit, mit jüngsten rechtlichen Entwicklungen über den medizinischen und nicht-medizinischen Gebrauch in einer Reihe von Ländern. Es gibt sehr viele Missverständnisse über die Sicherheit, Regulierung und Verteilung von Cannabis, besonders dort, wo der Gebrauch für Freizeitzwecke legalisiert wurde oder Cannabis-Programme für medizinische Zwecke erweitert werden. Es gibt wenig Wissen darüber, wie das internationale Drogenkontrollsystem funktioniert. Es wurde von Staaten konzipiert, um die öffentliche Gesundheit zu schützen, indem es Drogenmissbrauch verhindert und gleichzeitig den Zugang zu wichtigen Medikamenten gewährleistet".
Veränderungen in der Wahrnehmung von Cannabis-Risiken
Darüber hinaus meint der Bericht, dass die Wahrnehmung der Risiken von Cannabis durch ungenügend regulierte Cannabinoid-Programme für medizinische Zwecke geschwächt werden kann. Das könnte zur Legalisierung von nicht-medizinischem Cannabis-Gebrauch beigetragen haben. Der Präsident warnt, dass dies auch das öffentliche Interesse für die Gefahren von Cannabis-Gebrauch verringern könnte: "Legalisierung von Cannabis für Freizeitzwecke, wie dies in einer kleinen Zahl von Ländern der Fall ist, ist nicht nur für die universelle Umsetzung der Verträge und die Vertragsstaaten eine Herausforderung, sondern auch eine signifikante Herausforderung für die Gesundheit und das Wohlergehen, besonders unter jungen Menschen."
INCB verpflichtet sich weiterhin für einen konstruktiven Dialog mit Regierungen von Ländern, wo der Gebrauch von Cannabis für Freizeitzwecke erlaubt ist.
Mangelnde Verfügbarkeit von Schmerzbehandlung und anderen wichtigen Medikamenten sind nach wie vor ein Hauptanliegen
Der Rat appelliert an die Regierungen, mehr zu tun, um das unnötige Leiden von Menschen, die keinen Zugang zu Schmerzmitteln haben, zu beenden. Dies würde zur Erreichung von Ziel Nummer drei der Ziele für nachhaltige Entwicklung beitragen - ein gesundes Leben zu gewährleisten und das Wohlergehen für alle aller Altersstufen zu fördern.
Dennoch warnt der Rat, dass die Überversorgung mit kontrollierten Medikamenten, über den Bedarf für die Patienten hinaus, ein erhöhtes Risiko für Umlenkung und Missbrauch darstellt.
INCB-Präsident Viroj Sumyai meinte: "Menschen erleiden unnötig Schmerzen und unterziehen sich Operationen ohne Narkose, aus Mangel an kontrollierten Medikamenten in manchen Teilen der Welt. An anderen Orten führt unkontrollierter Zugang zu Umlenkung und Missbrauch. Wir müssen einen ausgeglicheneren Zugang zu diesen Schmerzmitteln sicherstellen.
Der Rat veröffentlicht eine Sonderbeilage über Verfügbarkeit zum Thema "Fortschritt bei der Gewährleistung von adäquatem Zugang zu international kontrollierten Substanzen für medizinische und wissenschaftliche Zwecke". Die Sonderbeilage zeigt, was für einen angemessenen Zugang getan wird und wie Regierungen unterstützt werden können, um sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen.
Die Ergänzung inkludiert die Ergebnisse von INCBs erster globaler Bewertung über den Zugang zu wichtigen psychotropen Substanzen, wie jene für die Behandlung von Angstzuständen und Epilepsie, die eine wachsende globale Lücke im Verbrauch zeigen. Der Bericht bemerkt, dass 80 Prozent der Menschen mit Epilepsie in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen leben, wo der Konsum von antiepileptischen Medikamenten unter internationaler Kontrolle gering oder unbekannt sind.
In Niedrigeinkommensländern, wo die Zahl an Ärzten begrenzt ist, empfiehlt INCB, dass einem breiteren Bereich an Gesundheitsexperten, wie etwa ausgebildeten Krankenschwestern, erlaubt sein soll, diese kontrollierten Substanzen zu verschreiben.
INCB fordert mehr Unterstützung für Afghanistan
Die Herausforderungen für Drogenkontrolle in Afghanistan werden in dem Bericht hervorgehoben. Er bemerkt, dass es bis 2017 einen signifikanten Anstieg bei der illegalen Opiumproduktion gab, wo der Umfang der illegalen Opiumwirtschaft den Wert der gesamten nationalen legalen Ausfuhr überstieg.
Der INCB-Präsident sagte, dass der Rat die Entwicklungen in enger Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung überprüft hat: "Wenn die Bemühungen bei der Bewältigung des Drogenproblems nicht effektiv sind, werden Armut, Auflehnung und Terrorismus vorherrschen." Der Rat hat Artikel 14 des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe angeführt, was bedeutet, dass INCB die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen auffordert, dringend weitere Unterstützung zu leisten, damit Afghanistan diese Herausforderungen angehen kann.
Regionale Highlights in dem Bericht beleuchten die speziellen Drogenkontrollprobleme in verschiedenen Teilen der Welt. In Nordamerika gab es für Cannabis eine anhaltende Verschiebung in der Politik und der Gesetzgebung. In Kanada trat im Oktober 2018 der Cannabis Act über den legalen Zugang zu Cannabis für nicht-medizinische Zwecke sowie die Kontrolle und Regulierung von Produktion, Verteilung, Verkauf und Besitz in Kraft. Im selben Monat verfügte das Oberste Gericht von Mexiko, dass das Verbot von Cannabis-Gebrauch für nicht-medizinische Zwecke verfassungswidrig sei. Gesetzesänderungen bezüglich des nicht-medizinischen Gebrauchs von Cannabis gab es in verschiedenen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten. Mittlerweile hat sich die Epidemie der Überdosierung mit Opioiden in den Vereinigten Staaten verschlechtert, mit mehr als 70.000 gemeldeten Todesfällen aufgrund von Überdosierungen.
Die Kokain-Herstellung in Südamerika stieg, was sich scheinbar auf Europa und Nordamerika auswirkt.
Im Jahr 2017 wurden 51 neue psychoaktive Substanzen zum ersten Mal auf dem europäischen Markt entdeckt. Neue Rechtsvorschriften der Europäischen Union werden die Verfahren zur Kontrolle neuer Stoffe beschleunigen.
Instabilität und Konflikte im Nahen Osten haben den Handel mit Suchtstoffen und psychoaktiven Substanzen in der Region erleichtert.
Der Handel und Missbrauch von Methamphetaminen hat in Ost- und Südostasien ein alarmierendes Ausmaß erreicht, während Drogen in beispiellosen Mengen in Südasien beschlagnahmt wurden.
INCB ist besorgt, dass einige Länder in Ozeanien noch nicht Vertragsparteien der internationalen Drogenkontrollübereinkommen sind.
Vorläufer-Bericht
Rückblickend auf 30 Jahre Vorläufer-Kontrolle bemerkt der Vorläufer-Bericht, dass bemerkenswerte Resultate erzielt wurden, da es im internationalen Handel von Vorläufer-Chemikalien nahezu keine Abzweigungen in illegale Kanäle gibt. Dennoch stellen nicht vorgesehene Substanzen "eine Herausforderung dar", sagt der Präsident. Der Rat schlägt vor, dass es weiterer internationaler politischer Diskussionen bedarf, um einen Weg vorwärts bei den "Designer"-Vorläufern und neuen psychoaktiven Substanzen zu finden und zu verhindern, dass diese potentiell gefährlichen Substanzen Menschen erreichen.
Der Jahresbericht 2018 unterstreicht auch das 50-Jahr-Jubiläum von INCB. Der Rat ist ein unabhängiges quasi-gerichtliches Organ, das vom Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe gegründet wurde und den Ländern unterstellt ist, um die Umsetzung der drei internationalen Drogenkontrollabkommen zu überwachen und zu unterstützen. Der Rat arbeitet eng mit der Weltgesundheitsorganisation und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung zusammen. Die Übereinkommen haben zum Ziel, die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen zu schützen, einschließlich des vollen Genusses der Menschenrechte. INCB fordert die Staaten auf, eine effiziente Strategie für die Vorbeugung von Drogenmissbrauch, sowie Leistungen für Behandlung, Rehabilitation und soziale Integration zu entwickeln.
Präsident Sumyai sagte: "Die heutigen Herausforderungen der Drogenkontrolle scheinen entmutigend, aber solche Herausforderungen wurden durch gemeinsame Bemühungen und politischen Willen erfolgreich überwunden. Der gleiche Geist und Einsatz sind heute notwendig."
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INCB ist ein unabhängiges, quasi-gerichtliches Organ zur Förderung und Überwachung der gesetzlichen Vorschriften der drei internationalen Drogenkontrollübereinkommen: das Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe, das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, und das Übereinkommen von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen. INCB wurde durch das Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe geschaffen. Die 13 Mitglieder des Rates werden in persönlicher Kapazität vom Wirtschafts- und Sozialrat für fünf Jahre gewählt.
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