SG/SM/8021
SC7209
13 November 2001

Generalsekretär Annan fordert Umsetzung bestehender Rechtsinstrumente und neue Anti-Terrorismus-Konvention

Definition des Begriffes Terrorismus bedarf rechtlicher Präzision, aber auch moralischer Eindeutigkeit

NEW YORK, 12. November - UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat vor der Ministersitzung des Sicherheitsrates über die Gefahren des Terrorismus für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit folgende Erklärung abgegeben:

In meiner Rede vor der Generalversammlung am 1. Oktober habe ich dem Sicherheitsrat meinen Beifall dafür gezollt, dass er so rasch die ersten rechtlichen Schritte unternommen hat, um den Kampf gegen den Terrorismus mit neuer Kraft und Entschlossenheit voranzutreiben. Ich freue mich, dass Sie diese Entschlossenheit heute auf höchster Ebene Ihrer Regierungen neuerlich zum Ausdruck bringen.

Die Sicherheitsratsresolution 1373 ist eine sehr breit angelegte Entschließung, die sowohl auf die Terroristen als auch auf jene abzielt, die ihnen Unterschlupf gewähren, ihnen helfen oder sie unterstützen. Die Mitgliedstaaten werden in dieser Resolution zur Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Bereichen aufgefordert - von der Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus bis zur Einrichtung von Frühwarnsystemen, von der Zusammenarbeit bei der strafrechtlichen Verfolgung bis zum Austausch von Informationen über mögliche Terrorakte.

Unter dem Vorsitz von Botschafter Jeremy Greenstock (Vereinigtes Königreich) hat der "Ausschuss gegen Terrorismus" ein Arbeitsprogramm erstellt, das die Schwerpunkte der ersten 90 Tage festlegte und ein Verfahren zur Berichterstattung der Staaten über die von ihnen zur Umsetzung der Resolution ergriffenen Maßnahmen schuf.

Diese Berichte werden für die Ermittlung und Zusammenstellung der bereits bestehenden Richtlinien und Rechtsinstrumente eine unverzichtbare Rolle spielen. Sie bilden die Messlatte der internationalen Gemeinschaft zur Bewertung ihrer Fähigkeiten im Kampf gegen den Terrorismus. Ich möchte an dieser Stelle alle Staaten aufrufen, für die vollständige Umsetzung der Resolution 1373 Sorge zu tragen und ihre Antworten bis Ende Dezember vorzulegen.

Ich habe vor kurzem eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung der längerfristigen Auswirkungen und der weiteren politischen Dimensionen der Frage des Terrorismus für die Vereinten Nationen eingesetzt. Die Gruppe, an der leitende Beamte der Vereinten Nationen und auswärtige Experten teilnehmen, soll auch Empfehlungen über weitere Schritte des UNO-Systems für mich ausarbeiten.

Die Vereinten Nationen sind in einzigartiger Weise dazu geeignet, die Zusammenarbeit der Regierungen im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Die Vereinten Nationen verleihen die notwendige Legitimität, die es einer größtmöglichen Anzahl von Staaten gestattet, die Bereitschaft und den Willen aufzubringen, um die erforderlichen und schwierigen Schritte auf diplomatischer, rechtlicher und politischer Ebene für einen Sieg über den Terrorismus zu unternehmen.

Der Kampf gegen den Terrorismus muss damit beginnen, dass alle Staaten die 12 Rechtsinstrumente über den internationalen Terrorismus, die bereits unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen ausgearbeitet und verabschiedet wurden, unverzüglich unterzeichnen, ratifizieren und umsetzen. Außerdem ist es wichtig, ein Einvernehmen über eine umfassende Konvention gegen den internationalen Terrorismus zu erzielen.

Wie ich bereits vor der Generalversammlung am 1. Oktober sagte, verstehe und akzeptiere ich den Wunsch nach rechtlicher Präzision bei der Definition des Begriffes Terrorismus. Aber auch moralische Eindeutigkeit ist notwendig. Jeder Versuch, die vorsätzliche Ermordung unschuldiger Menschen aus welchen Gründen oder Klagen auch immer zu rechtfertigen, kann einfach nicht akzeptiert werden.

Neben den Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten müssen wir jetzt die globalen Normen gegen den Einsatz oder die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen stärken. Wir müssen auch die Kontrolle über andere Waffen verstärken, die in der Hand von Terroristen schwerwiegende Bedrohungen darstellen. Das heisst, wie müssen mehr tun, um ein Verbot des Verkaufes von Kleinwaffen an nichtstaatliche Gruppen durchzusetzen, um Fortschritte bei der Beseitigung von Landminen zu erzielen, um den Schutz sensibler Industrieanlagen - darunter nuklearer und chemischer Anlagen - zu verbessern und um unsere Wachsamkeit gegenüber terroristischen Gefahren im Internet zu erhöhen.

Die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft zum Kampf gegen den Terrorismus ist eine begrüßenswerte Entwicklung, aber sie läuft Gefahr, den Terrorismus als isoliertes Phänomen zu betrachten. In Wahrheit ist der Terrorismus, wie der Krieg, ein sehr komplexes Phänomen mit vielfältigen Zielen und Ursachen, zahlreichen Waffen und Agenten und praktisch grenzenlosen Manifestationen.

Der einzige gemeinsame Nenner unter den verschiedenen Formen des Terrorismus ist der kalkulierte Einsatz tödlicher Gewalt gegen Zivilpersonen aus politischen Gründen.

Aber gerade dieser gemeinsame Nenner macht den Terrorismus für die Vereinten Nationen zum gemeinsamen Anliegen und zur gemeinsamen Agenda. Ich gratuliere dem Rat zu seinen raschen Fortschritten in dieser entscheidenden Frage. Unser Erfolg wird letztlich daran gemessen werden, wie viele Terroranschläge wir verhindern und wie viel Menschenleben wir retten können, aber ich bin zuversichtlich, dass die aus den Ereignissen des 11. September geborene Einigkeit auch in den kommenden Monaten und Jahren beibehalten werden kann.

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