Hintergrundinformation

 UNIS/NAR/772
26. Februar 2003

Illegale Drogenwirtschaft verhindert nachhaltige Entwicklung, sagt der Internationale Suchtstoff-Kontrollrat im Jahresbericht

WIEN, 25. Februar 2003 (UNO-Informationsdienst) -- Der überwiegende Anteil der Profite, die beim illegalen Drogenhandel erzielt werden, entfällt nicht auf die Anbauländer illegaler Drogenpflanzen, sondern auf jene Länder, wo die Endprodukte illegal verkauft oder missbraucht werden. Dies ist die Kernaussage des Jahresberichts des Internationalen Suchtstoffkontrollrates (INCB), der heute veröffentlicht wird. Es ist das erste Mal, dass das in Wien angesiedelte unabhängige Expertengremium, das alljährlich die globale Drogensituation untersucht, seine Aufmerksamkeit auf den Einfluss des illegalen Drogenanbaus, -handels und -missbrauchs auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung konzentriert.

Der Rat zerstreut kategorisch den Mythos, dass der Drogenhandel möglicherweise den Weg zum Wohlstand darstellt, und betont, dass die illegale Drogenproduktion Wirtschaftswachstum verhindert und langfristig nicht zu nachhaltiger Entwicklung führt. Dem Bericht zufolge machen nicht die Bauern, die die Pflanzen anbauen, den Gewinn: tatsächlich gelangt nur ein Prozent des Geldes, das von den Drogenkonsumenten dafür bezahlt wird, landet bei den Bauern in Entwicklungsländern. Die restlichen 99 Prozent verdienen andere in der Drogenhandelskette.

Der Bericht spricht auch von der destabilisierenden Auswirkung der illegalen Drogenproduktion auf den Staat, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft, was langfristig zur Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung führt.

Afghanistan: Bedarf nach umfassender und einheitlicher Strategie

Der Internationale Suchtstoffkontrollrat widmet weiterhin dem Drogenanbau und dem Drogenhandel in Afghanistan beträchtliche Aufmerksamkeit. Um die Verbindung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Drogenhandel deutlich zu machen, zeigt der Rat am Beispiel Afghanistan, wie der illegale Drogenhandel ein Land destabilisieren kann. INCB weist darauf hin, dass der massive Anstieg der Opiumproduktion in den frühen 90er Jahren Bürgerkriege schürte und Beweise zeigen, dass das Wirtschaftswachstum abnahm und der Lebens-standard sank.

Nach Begutachtung der jüngsten drogenbezogenen Entwicklungen im Land betont der Rat, dass Afghanistan eine umfassende und einheitliche nationale Drogenkontrollstrategie entwickeln muss, die alle illegal angepflanzten, produzierten und gehandelten Drogen einschliesst. Dem Rat zufolge wird eine nachhaltige und friedliche Entwicklung in Afghanistan nicht möglich sein, ohne das Drogenproblem in seiner Gesamtheit aufzugreifen.

In Anerkennung der Bemühungen der gegenwärtigen Regierung fordert der Rat eine volle und umgehende Unterstützung und Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft sowie der Länder der Region. Der Rat betont in seinem Bericht auch, dass eine Vernichtung des illegalen Schlafmohns nur dann erreichbar ist, wenn einschlägige Gesetze in vollem Umfang eingehalten und durchgesetzt werden, während den Bauern nachhaltige Erwerbsalternativen angeboten werden müssen.

Morphium: Überproduktion bei gleichzeitiger Unterversorgung

Der Rat unterstreicht die Gefahr, dass der legale Weltmarkt für Opiate zur Schmerzlinderung aufgrund des derzeitigen Überangebots ausser Kontrolle geraten könnte. Der Rat warnt davor, dass das Anbau und Produktionsniveau den medizinischen Bedarf bei weitem übersteigen und ein erhöhtes Risiko besteht, dass Lagerbestände in den illegalen Drogenmarkt umgeleitet werden. Darüber hinaus betont der INCB-Bericht, dass trotz des weltweiten Überschusses legaler Opiate zur Schmerzlinderung diese in vielen Entwicklungsländern oft

nicht ausreichend verfügbar seien. In den Industrieländern stieg der medizinische Bedarf an Morphium, wobei zehn Länder 80 Prozent der weltweit konsumierten Menge an Morphium verbrauchen.

Synthetische Drogen: Kontrolle von Chemikalien

Dem Rat zufolge könnten synthetische Drogen wie Ecstasy die wichtigsten illegalen Drogen der Zukunft werden. Diese Drogen sind schwer zu kontrollieren, weil sie überall auf der Welt einfach und billig hergestellt werden können, solange die Drogenhändler an die notwendigen Chemikalien kommen. INCB startete deshalb eine Großinitiative, um zu verhindern, dass Chemikalien, die zur Herstellung synthetischer Drogen gebraucht werden, in die geheimen Labors gelangen. Mit dem "Project Prism" wird bezweckt, den Nachschub an Ausgangssubstanzen zu unterbinden sowie die Händler zu identifizieren und zu verhaften. Ähnliche Programme des Rates haben sich auf die internationale Kontrolle von Chemikalien, die für die illegale Erzeugung von Heroin und Kokain verwendet wurden, konzentriert.

Regionale Trends

Der illegale Cannabisanbau ist nach wie vor weit verbreitet in Afrika, besonders in Marokko. Afrikanische Strafverfolgungsbehörden äußerten besorgt, dass durch den in Europa und Nordamerika vorhandene Trend zur Liberalisierung oder sogar Legalisierung des nicht medizinischen Gebrauchs von Cannabis die Bemühungen der afrikanischen Länder im Kampf gegen den illegalen Cannabisanbau, -handel und -missbrauch untergraben werden.

Ein reduziertes Angebot an Kokain und Heroin in Nordamerika hat die Preise ansteigen lassen. Drogenbeschlagnahmungen auf Flughäfen und an Grenzübergängen in Kanada und den Vereinigten Staaten gingen zurück, vermutlich aus Angst der Drogenhändler vor Entdeckung, nachdem die Grenzkontrollen infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten verstärkt worden waren.

In Südamerika wird das Drogenproblem zunehmend mit politischen Zusammenhängen und mit Fragen der nationalen Sicherheit in Verbindung gebracht. Guerilla- und paramilitärische Gruppen kontrollieren in Kolumbien den Drogenhandel und die Drogenlabors und tauschen illegale Drogen gegen Waffen.

In den Ländern Ost- und Südostasiens, hauptsächlich China und Thailand, wurden mehr als 70 Prozent der weltweiten Beschlagnahmungen von Amphetaminen durchgeführt.

China wurde zum wichtigsten Bestimmungs- und Transitland für Heroinlieferungen und die Beschlagnahmungen von Heroin haben in China in den letzten fünf Jahren erheblich zugenommen.

Der Rat würde mehr internationale Zusammenarbeit zwischen den Vollzugsbehörden im Kampf gegen den groß angelegten weltweiten Handel mit Ecstasy begrüßen, das in Europa nach wie vor illegal für den Weltmarkt hergestellt wird.

Die Russische Föderation dient als alternative Handelsroute für illegale Drogen aus Asien nach Europa. Im Jahr 2001 konfiszierten Strafverfolgungsbehörden dort über 75 Tonnen Suchtstoffe, darunter 3,5 Tonnen Heroin.

Sorge bereitet dem Rat die weltweiten Auswirkungen des Beschlusses Grossbritanniens, Cannabis als Droge mit geringerem Kontrollbedarf einzustufen. Er begrüßt jedoch, dass Grossbritannien keine Absichten hegt, die nichtmedizinische Verwendung irgendeiner der internationalen Kontrolle unterliegenden Droge zu legalisieren, was ein Verstoß gegen die internationalen Drogenkontrollverträge wäre.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:

INCB
Tel. (0043-1) 26060-4163
www.incb.org

oder

UNIS
Tel. (0043-1) 26060-4666
www.unis.unvienna.org

(Der Bericht und die Pressemappe werden ab 26. Februar 00.01 Uhr GMT zur Veröffentlichung freigegeben)