UNIS/INF/178
28. November 2006

"Das internationale Krisenmanagement bedarf einer kritischen Prüfung" meinen Experten anlässlich einer Buchpräsentation der UNO zu Friedenssicherung, Friedenskonsolidierung und internationaler Sicherheit

WIEN, 28. November (UNO-Informationsdienst) - Friedenssicherung, Friedenskonsolidierung und internationale Sicherheit waren die zentralen Themen einer Buchpräsentation, die heute in Wien vom UNO-Informationsdienst (UNIS) in Zusammenarbeit mit der Vereinigung Österreichischer Peacekeeper veranstaltet wurde.

"Die Friedenssicherungseinsätze der Vereinten Nationen sind eine unverzichtbare Waffe im Arsenal der internationalen Gemeinschaft geworden. Sie bieten eine legitime und unparteiische Antwort auf Konflikte, eine Möglichkeit, die gemeinsame Last zu teilen, ein wirksames Mittel für konkrete Maßnahmen und eine Brücke zu Stabilität sowie langfristigem Frieden und dauerhafter Entwicklung. Die Friedenssicherung wird jedoch nie das optimale Instrument für alle Situationen sein. Sie muss einen Friedensprozess begleiten, kann diesen jedoch nicht ersetzen. Damit ein fragiler Friede Wurzeln schlagen kann, sind umfassende Maßnahmen in der Reform des Sicherheitssektors, in der Abrüstung, Demobilisierung und Reintegration erforderlich", sagte UNO-Generalsekretär Kofi Annan kürzlich in seiner Botschaft zum 50. Jahrestag des ersten UNO-Friedenssicherungseinsatzes.

Die Direktorin des UNO-Informationsdienstes in Wien, Nasra Hassan, moderierte das Briefing, das den Teilnehmern Gelegenheit bot, Kofi Annan als UNO-Generalsekretär und Peacekeeper Tribut zu zollen. Frau Hassan präsentierte das Buch The International Struggle Over Iraq: Politics in the UN Security Council, 1980-2005 von David M. Malone, Hoher Kommissar Kanadas in Indien, ehemaliger Botschafter bei den Vereinten Nationen und vormals Präsident der International Peace Academy. Sie bezeichnete Botschafter Malone als den besten UNO-Unterstützer: einen kritischen Freund.

In seiner Rede bezeichnete Generalleutnant Günter Höfler, Streitkräftekommandant des Österreichischen Bundesheeres, das internationale Krisenmanagement als das Sicherheitsparadigma des 21. Jahrhunderts, das sowohl Konfliktverhütung, Friedensstiftung, -sicherung und -durchsetzung als auch Friedenskonsolidierung nach Konflikten und humanitäre Einsätze umfasse. "Das internationale Krisenmanagement bedarf einer kritischen Prüfung", meinte Generalleutnant Höfler. In zahlreichen Fällen erwartete die internationale Gemeinschaft eine zu leichte Lösung zu vieler Probleme in zu kurzer Zeit, so Generalleutnant Höfler weiter. Wichtige Voraussetzungen für den Erfolg seien klare Ziele und eindeutig festgelegte und robuste Mandate sowie die notwendigen militärischen und zivilen Ressourcen. Im Rahmen der Friedenssicherung müsse eine Staatenbildung stattfinden, was eine umfangreiche und zeitaufwändige Herausforderung darstelle, an der sich die Konfliktparteien beteiligen und Verantwortung und vor allem auch im Land Eigenverantwortung übernehmen müssten. Traditionelle lokale Elemente müssten flexibel mit einem modernen Staatsdenken vereint werden. In diesem Kontext hob Höfler die Bedeutung der zivil-militärischen Zusammenarbeit hervor, mit dem Ziel, dass Militärstreitkräfte für eine sichere Umgebung sorgen, während zivile Institutionen, wie beispielsweise internationale Organisationen, nichtstaatliche Organisationen, lokale Behörden und wirtschaftliche Akteure vornehmlich zur Staatenbildung beitragen.

Seit 1960 hat sich Österreich mit knapp 70.000 Soldaten an Friedensunterstützungsmissionen und humanitären Einsätzen beteiligt. Derzeit sind knapp 1.300 Soldaten in 14 verschiedenen Missionen weltweit im Einsatz. Angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Lage und neuer Bedrohungsszenarien befinde sich auch das Österreichische Bundesheer in einer Umbruchphase. Österreich sei auf dem besten Wege, seine nationalen Kapazitäten zur Beteiligung am internationalen Krisenmanagement zu verbessern und auszubauen. Die Vereinten Nationen, und hier insbesondere die Resolutionen des Sicherheitsrats, stellten die rechtliche Basis für Friedensunterstützungseinsätze dar, denn nur so sei dafür in der Öffentlichkeit breite Unterstützung zu finden, so Generalleutnant Höfler weiter.

"Die Erfahrungen der Vereinten Nationen zeigen eine überraschende Kapazität für institutionelle Innovation, die Weiterentwicklung von Konzepten, die Anpassung politischer Maßnahmen und organisationsbezogenes Lernen", sagte Ramesh Thakur, Vizerektor der Universität der Vereinten Nationen und Beigeordneter Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie ehemaliger Commissioner der Responsibility to Protect Commission anlässlich der Präsentation seines Buches The United Nations, Peace and Security: From Collective Security to the Responsibility to Protect. Im Laufe der letzten Jahre sei das Fundament der Weltordnung aufgrund verschiedener Faktoren zunehmend unter Druck geraten: Dazu gehöre die Kluft, die zwischen den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft an die Vereinten Nationen und den bescheidenen Ressourcen besteht, die der Organisation zur Verfügung gestellt werden, sowie die Tatsache, dass Bedrohungen der Sicherheit und Entwicklung immer mehr innerhalb der Staaten anstatt zwischen Staaten zu finden und politische Befugnisse und Ressourcen in den Staaten begründet seien, während die Probleme zunehmend globaler würden. Er betonte in diesem Zusammenhang außerdem die größere Anerkennung des Individuums als Subjekt und Objekt internationaler Beziehungen, die wachsende Ernsthaftigkeit der Bedrohungen, die von nichtstaatlichen Akteuren ausgehe, das zunehmende Aufkommen von Massenvernichtungswaffen und die strategische Trennung von militärischer, politischer und wirtschaftlicher Macht in der "realen Welt" und der Entscheidungsbefugnis in der "künstlichen" Welt der zwischenstaatlichen Organisationen. Als Reaktion auf diese Herausforderungen legt Dr. Thakur in seinem Buch den Schwerpunkt auf unterschiedliche analytische Ansätze: verfahrensbezogene und substanzielle Normen im Einsatz von militärischer Gewalt, die Unterscheidung zwischen Legalität und Legitimität, die Beziehung zwischen den Vereinten Nationen und den Vereinigten Staaten, die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit. Dr. Thakur unterstrich, dass die Welt dank der Vereinten Nationen, ihrer Arbeit und dessen, was sie symbolisierten, nämlich das Ideal einer in menschlicher Solidarität auf der Basis von Recht und Vernunft begründeten internationalen Sicherheit, ein besserer und sicherer Ort für alle Menschen sei.

Bei der Vorstellung seines Buches Multilateral Cooperation in Peace Support Operations: Challenges and Limitations bezeichnete der Präsident der Vereinigung Österreichischer Blauhelme, General i.R. Günther Greindl die Friedenssicherung als eine "in Entwicklung befindliche Kunst", die praktischer Beiträge bedürfe. Das von ihm vorgestellte Buch war das Ergebnis des Blauhelm-Forums, an dem Fachvertreter aus der Praxis ihre Meinungen und Ideen in Bezug auf Friedenssicherung diskutierten. Legitimität und Effektivität seien zwei Schlüsselaspekte der Friedenssicherung, jedoch sei manchmal die Entschlossenheit nicht stark genug. Andere Organisationen als die Vereinten Nationen zeigten vielleicht größere Entschlossenheit, hätten jedoch nicht dieselbe Legitimität. Ideal wäre es, wenn alle Organisationen unter dem Dach der Vereinten Nationen zusammenarbeiten würden.

"Weder militärische noch zivile Einrichtungen können in den Konflikten von heute alleine agieren", so der Experte für Friedenssicherung und ehemalige kanadische Peacekeeper James V. Arbuckle anlässlich der Vorstellung seines Buches Military Forces in 21st Century Peace Operations - No Job for a Soldier? Die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren sowie verschiedenen internationalen Institutionen sei mit ihrer wachsenden Bedeutung immer schlimmer geworden, so Arbuckle weiter. Sein Buch beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Wurzeln entzweiender Thematiken zwischen verschiedenen Akteuren in der Friedenssicherung, die weder einfach strukturell noch organisatorisch sondern vornehmlich kulturell einzustufen wären, und damit, wie diese Uneinigkeiten angegangen werden könnten.

Schwarzbuch Öl von Thomas Seifert / Klaus Werner analysiert Kriege und Konflikte, die um Öl geführt werden, und behandelt unter anderem die Frage privater Militärunternehmen (PMCs). In seiner Buchpräsentation unterstrich der Autor und Redakteur der österreichischen Tageszeitung Die Presse Thomas Seifert, dass er den Einsatz privater Militärunternehmen im wesentlichen zur Privatisierung des Militärs sehe und dies als eine gefährliche Entwicklung erachte. Die Unternehmen würden nicht nur die Arbeit des Militärs übernehmen, meinte er, sondern auch versuchen, ihre Rolle in humanitären Angelegenheiten und in der Friedenssicherung zu erweitern. Dies stelle eine Herausforderung dar, die sich künftig auf die Vereinten Nationen und nationalen Armeen auswirken würde. Die Direktorin des UNO-Informationdienstes, Nasra Hassan, fügte hinzu, dass auch international agierende Dschihad-Gruppen als gefährliche private Militärunternehmen eingestuft werden könnten.

Hochrangige Diplomaten sowie Angehörige des Österreichischen Bundesheers, Vertreter der Zivilgesellschaft, der Medien, der Bundesregierung und Mitarbeiter der in Wien ansässigen internationalen Organisationen, von denen viele an Friedenssicherungseinsätzen teilgenommen hatten, beteiligten sich an einer angeregten Diskussion mit den Vortragenden und Autoren.

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