UNIS/NAR/1059
24. Juni 2009

Weltdrogenbericht 2009 unterstreicht Verbindung zwischen Drogen und Kriminalität

Märkte für Opiate, Kokain und Cannabis stagnieren oder schrumpfen, Aufwärtstrend dagegen bei synthetischen Drogen
UNODC-Direktor fordert stärkere Investitionen in Drogentherapie und Verbrechenskontrolle

WIEN, 24. Juni (UNO-Informationsdienst) - Der Weltdrogenbericht 2009, der heute vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) veröffentlicht wurde, zeigt, dass die globalen Märkte für Kokain, Opiate und Cannabis stagnieren oder schrumpfen, während zu befürchten ist, dass Produktion und Konsum synthetischer Drogen in den Entwicklungs- und Schwellenländern zunehmen.

Der 314 Seiten starke Bericht wurde anlässlich des Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr am 26. Juni verfasst und in Washington DC von Antonio Maria Costa, UNODC-Exekutivdirektor, sowie von Gil Kerlikowske, dem neu ernannten Direktor des amerikanischen Bundesamts für nationale Drogenkontrollpolitik, vorgestellt.

Abwärtstrend auf wichtigen Märkten

In Afghanistan, einem Land mit 93 Prozent der weltweiten Opiumernte, ging der Schlafmohnanbau 2008 um 19 Prozent zurück. In Kolumbien, das die Hälfte des globalen Kokainvolumens produziert, sank der Anbau um 18 Prozent und die Produktion, verglichen mit 2007, um unglaubliche 28 Prozent. Die globale Kokaproduktion befindet sich trotz einiger Steigerungen beim Anbau in Peru und Bolivien mit 845 Tonnen auf einem Fünfjahrestief.

Cannabis bleibt die am häufigsten angebaute und konsumierte Droge weltweit, allerdings liegen weniger genaue Schätzungen vor. Erhobene Daten verdeutlichen auch, dass die Droge schädlicher ist als gemeinhin angenommen. Der durchschnittliche THC-Gehalt (der schädliche Bestandteil) von Marihuana aus Hydrokultur in Nordamerika hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Das hat weitreichende Folgen für die Gesundheit, wie sich an der signifikant gestiegenen Anzahl von Menschen zeigt, die sich in eine Therapie begeben.

Was den Konsum betrifft, so sind die größten Absatzmärkte für Cannabis (Nordamerika, Ozeanien und Westeuropa), Kokain (Nordamerika und einige Teile Westeuropas) und Opiate (Südostasien und Westeuropa) allesamt stagnierend oder rückläufig. Für die Entwicklungs- und Schwellenländer sind die Daten weniger deutlich.

Voraussichtliche Steigerung von Konsum und Produktion synthetischer Drogen in Entwicklungs- und Schwellenländern

Die Nachrichten bezüglich synthetischer Drogen - Amphetamine, Methamphetamine und Ecstasy - sind gemischt. In den Industrieländern hat sich der Konsum stabilisiert. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ist man besorgt, dass Produktion und Konsum steigen könnten; allerdings liegen nur begrenzte Datenmengen vor.

Was einmal ein Kleingewerbe war, ist zum großen Geschäft geworden. Labors von Fabrikgröße in Südostasien - besonders in der Greater Mekong Subregion - produzieren gewaltige Mengen an Methamphetamintabletten, Crystal Meth und anderen Substanzen wie Ketamin.

Einige Länder der Europäischen Union sind Hauptlieferanten von Ecstasy; Kanada hat sich zu einem wichtigen Umschlagplatz für Crystal Meth und Ecstasy entwickelt.

Im Nahen und Mittleren Osten ist der Konsum des Amphetamins Captagon sprunghaft angestiegen. 2007 beschlagnahmte Saudi-Arabien ein Drittel aller Substanzen der Amphetamingruppe weltweit, insgesamt mehr als China und die Vereinigten Staaten zusammen.

Illegale Handelsrouten verschieben sich

"Der 50 Milliarden Dollar schwere globale Kokainmarkt erlebt Veränderungen seismischen Ausmaßes", so Costa. Und weiter: "Der Reinheitsgrad und die Beschlagnahmungen (in den wichtigsten Konsumländern) sind zurückgegangen, die Preise gestiegen und die Konsummuster im Wandel begriffen. Das könnte zur Erklärung des erschreckenden Anstiegs von Gewalt in Ländern wie Mexiko beitragen. In Mittelamerika kämpfen Kartelle um einen schrumpfenden Markt."

In Westafrika scheint nach fünf Jahren raschen Wachstums die Abnahme der Konfiszierungen jetzt einen geringeren Kokainfluss widerzuspiegeln. "Internationale Bemühungen zeitigen Erfolge", so Costa. Doch mit Drogenkriminalität verbundene Gewalt und politische Instabilität bestehen fort, besonders in Guinea-Bissau. "Solange es Nachfrage nach Drogen gibt, werden schwächere Länder immer wieder von illegalen Händlern angepeilt. Wenn Europa Afrika wirklich helfen will, sollte es seine Kokaingelüste dämpfen", so der höchste Drogenkontrollbeamte der Vereinten Nationen.

Während 41 Prozent des weltweiten Kokainvolumens beschlagnahmt werden (hauptsächlich in Kolumbien), kann nur ein Fünftel (19 Prozent) aller Opiate abgefangen werden. Iran und Pakistan sind vom illegalen Drogenhandel am schlimmsten betroffen, und sie sind es auch, die die meisten Opiate (Opium, Morphin und Heroin) beschlagnahmen. 2007 wurden im Iran 84 Prozent des weltweiten Opiumvolumens konfisziert und 28 Prozent des gesamten Heroins. Pakistan rangiert an zweiter Stelle, was Beschlagnahmungen von Heroin (und Morphinen) betrifft.

Um den Informationsaustausch zu verbessern und gemeinsame Aktionen zur Drogenbekämpfung durchzuführen, hat UNODC eine Dreiecksinitiative zwischen Afghanistan, Iran und Pakistan entwickelt. "Je mehr Opium in Afghanistans Nachbarschaft beschlagnahmt wird, desto weniger Heroin gelangt auf die Straßen Europas. Und umgekehrt, je weniger Heroinkonsum im Westen, desto mehr Stabilität im Nahen und Mittleren Osten", so Costa, der diese Botschaft am 27. Juni in Triest auf einer ministeriellen Kontaktkonferenz der G8-Staaten zu Afghanistan verkünden wird.

Kein Kompromiss zwischen öffentlicher Gesundheit und öffentlicher Sicherheit

Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Bericht den Folgen der Drogenkriminalität und den Maßnahmen, die man dagegen ergreifen kann.

Im Vorwort zum Bericht beleuchtet Costa die Debatte über die Aufhebung von Drogenkontrollen. Er räumt ein, die Kontrollen hätten einen illegalen Schwarzmarkt von makroökonomischen Ausmaßen geschaffen, in dem Gewalt und Korruption an der Tagesordnung seien. Doch er warnt vor der Legalisierung von Drogen als einem Weg zur Beseitigung dieser Bedrohung, wie es manche vorgeschlagen haben. Dies wäre ein "historischer Fehler". "Illegale Drogen gefährden die Gesundheit, darum müssen Drogen jetzt und in Zukunft kontrolliert werden", so der UNODC-Direktor.

"Befürworter der Legalisierung müssen sich entscheiden", so Costa. "Ein freier Drogenmarkt würde eine Epidemie lostreten, während ein kontrollierter Markt einen parallelen Schwarzmarkt entstehen lässt. Legalisierung ist kein Zaubermittel, mit dem man sowohl mafiöse Organisationen als auch den Drogenmissbrauch abschaffen kann", sagte Costa. "Gesellschaften sollten nicht zwischen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit wählen müssen: Sie können und sollten beides tun", sagte er. Entsprechend forderte er mehr Mittel zur Prävention und Therapie von Drogenmissbrauch, sowie schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung von Drogenkriminalität.

Der Direktor des amerikanischen Bundesamts für nationale Drogenkontrollpolitik, Gil Kerlikowske, sagte: "Aus dem Weltdrogenbericht 2009 geht hervor, dass Drogen für alle Nationen ein Problem darstellen. Wir alle haben die Pflicht, den Drogenmissbrauch in unseren Gesellschaften anzusprechen. Auf internationaler Ebene engagiert sich die Obama-Regierung für den Ausbau von Initiativen zur Nachfragereduzierung, um sicherzustellen, dass Menschen - besonders in den Entwicklungs- und Schwellenländern -, die kämpfen, um aus ihrer Abhängigkeit herauszukommen, Zugang zu wirksamen Therapieprogrammen erhalten. Wir haben viel über die Krankheit Drogenabhängigkeit gelernt und wissen, dass Therapien erfolgreich sind. Durch umfassende und wirksame Strafverfolgung, durch Bildung, Prävention und Therapie wird es uns gelingen, den Drogenmissbrauch und seine verheerenden Auswirkungen einzudämmen."

Verbesserung der Drogenkontrolle

Der Bericht gibt eine Reihe von Empfehlungen zu der Frage, wie man die Drogenkontrolle verbessern kann.

Erstens sollte Drogenmissbrauch wie eine Krankheit behandelt werden. "Menschen, die Drogen nehmen, brauchen medizinische Hilfe, keine Bestrafung", so Costa. Er rief dazu auf, Drogentherapien weltweit zugänglich zu machen. Da Menschen mit ernsthaften Drogenproblemen für den Großteil der Drogennachfrage verantwortlich sind, stellt die medizinische Behandlung eine der besten Möglichkeiten dar, den Markt einzudämmen.

Zweitens rief Costa dazu auf, "die Tragödie von Städten außer Kontrolle" zu beenden. So wie der größte Teil des illegalen Anbaus in Regionen stattfindet, die außerhalb der Reichweite amtlicher Kontrolle liegen, werden die meisten Drogen in Stadtvierteln verkauft, in denen die öffentliche Ordnung zusammengebrochen ist. "Bessere Wohnverhältnisse, Arbeitsplätze, Bildung, Dienstleistungen der öffentlichen Hand und Freizeitangebote können die Anfälligkeit der Kommunen für Drogen und Verbrechen verringern", so Costa.

Drittens müssen Regierungen die internationalen Abkommen gegen die organisierte Kriminalität umsetzen. Internationale Instrumente zur Verbrechensbekämpfung wie die Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und Korruption werden nicht eingesetzt. "Daher haben zu viele Staaten ihre hausgemachten Kriminalitätsprobleme", sagte der UNODC-Direktor. Insbesondere seien "die gegenwärtig verfügbaren Mittel zur Bekämpfung von Geldwäsche und Internet-Kriminalität unzureichend".

Viertens forderte Costa größere Effektivität in der Strafverfolgung. Er bestärkte die Polizei darin, sich auf die kleine Anzahl hochkarätiger, gewalttätiger Krimineller mit hohen Umsätzen und nicht auf die hohe Anzahl von Kleinkriminellen zu konzentrieren. In einigen Ländern beträgt das Verhältnis von inhaftierten Dogenkonsumenten zu Drogenhändlern 5:1. "Das ist Geldverschwendung für die Polizei und eine Verschwendung von Lebenszeit für diejenigen, die im Gefängnis sitzen. Jagen Sie die Piranhas und nicht die kleinen Fische", so Costa.

Um mehr Transparenz zu schaffen und die Zuverlässigkeit der Drogendaten zu verbessern, hat UNODC in diesem Jahr Konfidenzintervalle für die länderbezogenen Schätzungen eingeführt, die im Weltdrogenbericht verwendet werden. Für viele Regionen und für einige Drogen (wie amphetaminartige Stimulanzien und Cannabis) sind die Konfidenzintervalle relativ breit, da die Datenmengen begrenzt sind. "Ich fordere die Regierungen dringend auf, mehr Daten zu erheben. So werden wir ein klareres Bild der Drogentrends erhalten, was in der Folge zu einer Verbesserung der Drogenkontrolle führen wird", so Costa.

Für TV-Produzenten steht Zwischenschnittmaterial zur Verfügung.

Für Zeitungen sind Standbilder erhältlich.

Weitere Informationen zum Weltdrogenbericht 2009 finden Sie unter www.UNODC.org

UNODC leitet die Weltweite Anti-Drogenkampagne 2009, um die große Herausforderung bewusst zu machen, die illegale Drogen für die Gesellschaft im Ganzen und insbesondere für die Jugend darstellen. Ziel der Kampagne ist es, Unterstützung zu mobilisieren und Menschen anzuregen, gegen Drogenmissbrauch und Drogenhandel vorzugehen. Die Kampagne will junge Menschen ermutigen, ihre Gesundheit an erste Stelle zu setzen und keine Drogen zu nehmen. ( http://www.unodc.org/drugs/ ).

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