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UNIS/INF/580
15. Juni 2022

2022: Das Jahr, um den Niedergang der Ozeane aufzuhalten

Peter Thompson

Mit jedem Atemzug, den wir nehmen, sind wir mit dem Ozean verbunden. Der Ozean gibt uns Sauerstoff, liefert uns Nahrung und Lebensgrundlagen. Er stabilisiert unser Klima, indem er den größten Teil der Wärme, die im Erdsystem eingeschlossen ist, aufnimmt. Milliarden von Menschen, Tieren und Pflanzen sind auf einen gesunden Ozean angewiesen. Aber die Gesundheit der Weltmeere ist in Gefahr.

Die steigenden Kohlenstoffemissionen führen zu einer Versauerung der Weltmeere und schwächen ihre Fähigkeit, Leben unter Wasser und an Land zu erhalten. Plastikmüll erstickt die Meere dieser Welt. Wenn wir so weitermachen wie bisher, könnte bis zum Jahr 2100 mehr als die Hälfte der weltweiten Meeresarten vom Aussterben bedroht sein. Es gibt Lösungen, um die Gesundheit der Ozeane wiederherzustellen, aber sie erfordern Maßnahmen aus allen Teilen der Gesellschaft - von den führenden Politikern und Politikerinnen der Welt bis hin zu jedem Einzelnen von uns.

Es kann keinen gesunden Planeten ohne gesunde Ozeane geben, jedoch verschlechtert sich die Gesundheit der Ozeane nachweislich. Daher möchte ich hervorheben, dass 2022 das Jahr sein kann, in dem wir diesen Niedergang aufhalten.  

Um dies zu erreichen, wurde 2022 zum „Internationalen Jahr der handwerklichen Fischerei und Aquakultur“ ernannt, denn sowohl die Aquakultur als auch die handwerkliche Fischerei sind von zentraler Bedeutung für unser Streben nach Nachhaltigkeit. Von großer Bedeutung ist auch die im vergangenen Jahr ausgerufene UN-Dekade für „Ozeanwissenschaft im Dienste der nachhaltigen Entwicklung” und die Dekade zur Wiederherstellung der Ökosysteme, denn beide unterstützen die Umsetzung der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und treiben sie voran. Hinzu kommt die Entscheidung der COP26-Klimakonferenz in Glasgow, die Ozeane in die laufende Überarbeitung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) einzubeziehen. Dies gibt Anlass zu Optimismus, dass solide Fortschritte bei der Bewältigung von Problemen, wie der Erwärmung und Versauerung der Ozeane, erzielt werden, was wiederum die Gesundheit der Ozeane und ihre einzigartige Fähigkeit zur Kohlenstoffbindung verbessert.

Zusätzlich zu diesen positiven Faktoren und den anderen Aktionstreffen zur Rettung der Ozeane, die in diesem Jahr stattfinden, gibt es sechs internationale Zusammenkünfte, die den Verfall der Weltmeere stoppen können. Eines dieser Treffen hat bereits stattgefunden - die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA5) – auf der Anfang März in Nairobi einvernehmlich beschlossen wurde, Verhandlungen über ein verbindliches globales Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung aufzunehmen. Jährlich werden elf Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane gekippt und es wird prognostiziert, dass sich die Zahl bis 2030 verdoppeln und bis 2050 verdreifachen wird. Mit dem vorgeschlagenen Abkommen können wir den Trend der katastrophalen Meeresverschmutzung stoppen.

Zweitens findet Mitte Juni in Genf die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) statt, auf der es nach zwei Jahrzehnten von Verhandlungen die Möglichkeit gibt, schädliche Fischereisubventionen zu verbieten. 20 bis 30 Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern fließen jährlich in solche Subventionen, die vor allem den industriellen Fischereiflotten zugutekommen und von vielen als das Schädlichste bezeichnet wird, was wir den Ökosystemen der Meere antun können. Wenn wir in Genf das Richtige tun, bekommen die Ozeane eine neue Chance für ihre Gesundheit.

Drittens bietet die diesjährige Wiederaufnahme der zwischenstaatlichen Konferenz über die biologische Vielfalt der Meere außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete (BBNJ) die Gelegenheit, einen soliden und praktikablen Vertrag für die Verwaltung der Hohen See abzuschließen und damit eines der wichtigsten globalen Gemeinschaftsgüter unseres Planeten zu schützen.  Nur wenn die Mitgliedstaaten einen Konsens finden, werden wir den BBNJ-Vertrag im Jahr 2022 unter Dach und Fach bringen.

Viertens verspricht das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, das noch dieses Jahr auf der COP15-Konferenz in Kunming ausverhandelt wird, die Verabschiedung eines neuen Ziels, um 30 % des Planeten bis 2030 zu schützen. Eine solche Entscheidung auf der COP15-Konferenz wäre ein entscheidender Wendepunkt für die Meeresschutzgebiete und damit für die Gesundheit der Ozeane.

Fünftens findet vom 27. Juni bis 1. Juli in Lissabon die von den Regierungen Kenias und Portugals gemeinsam ausgerichtete UN-Ozeankonferenz statt, auf der wir eine große Flotte innovativer, wissenschaftlich fundierter Lösungen vorstellen werden. Diese Lösungen werden im Rahmen von gut finanzierten Partnerschaften weitergeführt und stehen für die wirksame Umsetzung des 14. Ziels für nachhaltige Entwicklung, die Ressourcen des Ozeans zu erhalten und umweltschonend zu nutzen.

Und schließlich müssen wir alle auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz, der COP27 der UNFCCC, die im November in Scharm El-Scheich stattfindet, den Ehrgeiz und den politischen Willen für die Klimaanpassung und deren Finanzierung aufbringen. Dies ist erforderlich, wenn wir die Kurve in Richtung Sicherheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit biegen wollen.

Wenn wir die Verschlechterung des Zustands der Ozeane in diesem Jahr aufhalten wollen, müssen wir bei allen sechs Treffen das Richtige tun. Auch wenn sich das Wort „wir“ in erster Linie auf die Mitgliedsstaaten bezieht, so gilt es doch für jeden Einzelnen von uns. Wir dürfen die einmaligen Chancen nicht verspielen, die das Jahr 2022 uns für entschlossenes Handeln im Bereich der Ozeane bietet.

Wir alle müssen uns dazu verpflichten, unsere Beziehung zur Natur wieder auf eine Ebene des Respekts und der Ausgewogenheit zu heben. Tun wir dies für unsere Kinder und Enkelkinder, damit sie das gute Leben führen können, das wir uns für sie wünschen.

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Botschafter Peter Thompson ist Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für die Weltmeere

Eine Version des Artikels wurde in Wiener Zeitung am 15./16. Juni 2022 veröffentlicht.