UNIS/INF/233
7. September 2007

Hintergrundinformation Nr.2

62. UNO-GENERALVERSAMMLUNG

"Die Welt braucht einen wirksamen Multilateralismus"

Antrittsrede des Präsidenten der 62. UNO-Generalversammlung,

Dr. Srgjan Kerim, nach seiner Wahl am 24. Mai 2007

            Wien, 7. September 2007 (UNO-Informationsdienst) -- Das ist ein überwältigender Augenblick für mich. Es ist eine große Ehre, zum Präsidenten der zweiundsechzigsten Generalversammlung gewählt worden zu sein. Ich möchte allen Mitgliedstaaten meinen aufrichtigen Dank dafür aussprechen, dass sie diese Wahl einstimmig unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt dabei der Gruppe der osteuropäischen Staaten für ihre rückhaltlose Unterstützung.

            Erlauben Sie mir zunächst, der Präsidentin der Generalversammlung, Frau Al-Khalifa, meine Glückwünsche für ihre Verhandlungsführung und Erfolge zum Ausdruck zu bringen. Sie hat auf dem Weltgipfel 2005 aufgebaut und sich vor allem für die Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen auf dem Gebiet des Friedens und der Sicherheit eingesetzt, den Wirtschafts- und Sozialrat gestärkt und mögliche Bausteine für die Verhandlungen über eine Sicherheitsratsreform geschaffen.

            Ich möchte auch Generalekretär Ban Ki-moon meine nachhaltige Unterstützung für seine Initiativen und Maßnahmen zur Stärung der Rolle der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Friedenssicherung und Abrüstung sowie zur Revitalisierung des Sekretariats aussprechen und ihm für seine Entschlossenheit danken, die Vereinten Nationen kohärenter und effizienter zu verwalten.

            Als Präsident der Generalversammlung muss man alle Anstrengungen unternehmen, um den Idealen und Werten der Vereinten Nationen gerecht zu werden. Ich kann der Versammlung versichern, dass ich meine Aufgaben ausgewogen, überlegt und offen wahrnehmen und dabei der Würde jedes einzelnen Mitgliedstaates größtmöglichen Respekt entgegenbringen werde.

            Der Multilateralismus ist tief in der Geschichte der Menschheit verankert. Lassen Sie mich diesen Gedanken mit einem Zitat des antiken griechischen Philosophen Aristoteles verdeutlichen:             "Jetzt könnte man sagen, dass die wichtigsten Fragen, über die alle Menschen nachdenken und alle Diskussionsredner lange Tiraden halten, die folgenden fünf sind: Mittel und Wege, Krieg und Frieden, die Verteidigung des Landes, Importe und Exporte, sowie die Gesetzgebung."

Mehr denn je braucht die Welt einen wirksamen Multilateralismus. Die Vereinten Nationen müssen sein Mittelpunkt sein. Für die Generalversammlung bedeutet das: Wir müssen uns so viel wie möglich mit substanziellen Fragen befassen. Revitalisierung ist weit mehr als nur verfahrenstechnische Verbesserungen.

            Die größten Herausforderungen unserer Zeit überschreiten Landesgrenzen: Globalisierung, Klimawandel, Terrorismus, Immigration und nachhaltige Entwicklung können nicht allein innerhalb nationaler Grenzen oder auf regionaler Ebene gelöst werden.

            Die Vereinten Nationen haben Fehlschläge erlebt. Die wichtigsten Ursachen dafür sollten aber nicht immer in den Unzulänglichkeiten des Systems der Vereinten Nationen gesucht werden, sondern manchmal auch in der mangelnden politischen Bereitschaft einzelner Mitgliedstaaten, im multilateralen Rahmen zusammenzuarbeiten.

            Wenn wir heute über gute Regierungsführung sprechen, dann reden wir natürlich über Regierungen, aber wir reden auch über die Bürger. In diesem Bereich ist die königliche Ära, in der Verhandlungen ausschließlich zwischen Staaten geführt wurden, vorbei. Die Zukunft unseres Planeten geht jedermann an. Nachhaltige Entwicklung muss zu einem demokratischen, alle Betroffenen einschließenden, partizipatorischen Unternehmen werden.

            Die Regierungsführung von morgen - die demokratische Regierungsführung - muss Entscheidungsträger auf allen Ebenen einbinden. Ein glaubhafter Reformplan kann kein Plan einer vergangenen Generation sein: internationale Führungsaufgaben im Umweltbereich müssen dem Muster des demokratischen Geistes entsprechen, auf dem die Mission der Generalversammlung beruht.

            Wissenschafter und Experten haben uns jetzt die unbequeme Wahrheit über die globale Erwärmung vor Augen geführt. In diesem Zusammenhang möchte ich die jüngste Arbeit der Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe über Klimaänderungen würdigen. Jetzt liegt es an der Politik, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, das Ruder zu übernehmen. Der Klimawandel bringt Auswirkungen für alle Aspekte unseres täglichen Lebens, von der Umwelt, Gesundheit und Energieversorgung, bis zur wirtschaftlichen Entwicklung, den Menschenrechten, Frieden und Sicherheit und der globalen Regierungsführung. Während das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimawandel das Verhandlungsforum für Fragen des Klimawandels bildet, sollte die Generalversammlung im Hinblick auf umfassende Maßnahmen das Forum für konzertiertes Handeln sein. Die Debatte muss sich dabei auf die Zusammenhänge zwischen technologischer Innovation, erneuerbaren Energieformen und der Umwelt konzentrieren. Gemeinsam können wir dem Klimawandel entgegen treten und ein dynamisches Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung schaffen.

            Wir erreichen bald die Halbzeit auf dem Weg zum Jahr 2015 und müssen unsere Anstrengungen zur Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele beschleunigen. Es steht schon heute fest, dass viele dieser Ziele nicht erreicht werden können. Vor allem in Afrika ist die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele nicht nur ein Test dafür, ob wir in der Lage sind, unsere Verpflichtungen einzulösen; sie ist vor allem ein Test für unsere moralischen Pflichten und die in der Charta der Vereinten Nationen verankerten ethischen Werte. Um diese und andere Entwicklungsziele zu verwirklichen, müssen wir mehr von uns selbst und von der Organisation fordern. Wenn die Vereinten Nationen ihren vollen Beitrag leisten und den Bedürfnissen der Entwicklungsländer besser dienen wollen, wird mehr Koordination und Kohärenz im gesamten System der Organisation erforderlich sein.

            Diese Frage zählt für mich zu den Prioritäten der zweiundsechzigsten Tagung, wie auch die Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der Globalen Anti-Terrorismus-Strategie der Vereinten Nationen, die Vorbereitung der Folgetagung für die Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung in Doha, die Gedenksitzung für Kinder und die Festlegung weiterer konkreter Schritte zur Reform des Sicherheitsrats - eines entscheidenden Aspektes der gesamten Reformagenda der Vereinten Nationen. Darüber hinaus müssen wir auf der zweiundsechzigsten Tagung weitere Fortschritte bei der Förderung des Dialogs zwischen den Zivilisationen erreichen, denn es besteht dringender Bedarf daran, ein Gefühl der Achtung für den Anderen als Grundlage für gegenseitiges Verständnis, Freundschaft und Frieden zu entwickeln.

            Ich sehe die Zukunft und Relevanz der Vereinten Nationen als einer Organisation, die auf offenen Netzwerken beruht und selbst ein Netzwerk ist, das sich auf Ideen der Zivilgesellschaft, der nichtstaatlichen Organisationen, der Wirtschaft, Universitäten und Medien sowie der globalen Öffentlichkeit einlässt.

            Ob es uns gefällt oder nicht - wir stehen in manchen Bereichen vor einer immer größer werdenden Kluft in Fragen, die für die künftige Relevanz der Organisation von ausschlaggebender Bedeutung sind. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, unermüdlich nach kühnen Kompromissen auf der Grundlage größerer gegenseitiger Achtung zu suchen. Denn wir teilen schließlich alle das gemeinsame Ideal, in einer Welt von mehr Sicherheit und Wohlstand zu leben zu wollen.

            Ich weiss, dass Kompromisse nicht überall Begeisterungsstürme hervorrufen. Das erinnert mich an den berühmten deutschen Philosophen Immanuel Kant, der einmal sagte, dass "aus dem krummen Holz der Menschheit, noch nie eine gerade Sache gemacht wurde". Gerade deshalb, meine ich, müssen wir uns mit den 'Knoten im Holz' befassen.

            Glücklicherweise haben wir für dieses gemeinsame Unterfangen einige der klügsten und fähigsten Diplomaten der Welt hier bei den Vereinten Nationen in New York. Ihnen verspreche ich, gewissenhaft, mit ganzem Herzen und all meinen Fähigkeiten ans Werk gehen zu wollen.

            Der heutige Beschluss der Generalversammlung ist auch eine Anerkennung für das Bekenntnis meines Landes zu den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und seinen Beitrag zur Förderung größerer Stabilität und Zusammenarbeit in Südosteuropa. In der Tat hat sich mein Land seit der Gründung der Vereinten Nationen im Jahr 1945 eingehend mit der Organisation befaßt.

            Verehrte Mitglieder der Versammlung, ich danke Ihnen im Namen meines Landes, der Republik Mazedonien, und in meinem eigenen Namen.

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