UNIC/480
2. Mai 2002

Jedes zwölfte Kind stirbt bevor es fünf Jahre alt Wird

UNO-Bericht sieht gesunde Kinder mit guter Schulbildung als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung

Jedes zwölfte Kind stirbt bevor es das fünfte Lebensjahre beendet, fast immer aus vermeidbaren Gründen. Dies geht aus der überarbeiteten Fassung eines Berichts hervor, den UNO-Generalsekretär Kofi Annan zur bevorstehenden Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen über Kinder vorgelegt hat. Die Angaben zur Kindersterblichkeit und andere in dem Bericht enthaltene Statistiken unterstreichen die grundlegende Auffassung der Vereinten Nationen, dass namhafte Investitionen auf dem Gebiet der Rechte und der Entwicklung der Kinder entscheidend für die Überwindung der Armut sind.

"Wir, die Kinder: Die Versprechen des Weltkindergipfels erfüllen"* ist die umfassendste Studie, die jemals über die Lebensbedingungen von Kindern veröffentlicht wurde. Der Bericht kann auf Daten aus fast 150 Ländern zurückgreifen, die nachweisen, dass Ungleichheit und weit verbreitete Armut in einem direkten Zusammenhang zu fehlenden Investitionen in junge Menschen stehen, insbesondere in ihre Gesundheit, ihre Bildung und ihren Schutz. Wenn die Regierungen es mit der zum Ziel gesetzten Armutsminderung wirklich ernst meinen, dann müssen sie die Belange der Kinder zu ihrer ersten Priorität machen, heisst es in dem Bericht.

Der Bericht wurde für die Sondertagung der Generalversammlung über Kinder verfasst, die vom 8. - 10. Mai in New York stattfindet. Mehr als 70 Staats- und Regierungschefs und 170 nationale Delegationen wollen sich dabei auf eine Reihe konkreter Ziele für das Überleben, die Entwicklung und den Schutz junger Menschen verpflichten. Nach Einschätzung des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF ist die Konferenz eine wichtige Folgeveranstaltung der Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, die vor kurzem in Monterrey, Mexiko, stattfand. Während die Monterrey-Konferenz zur Zusage der Geberländer von wesentlich mehr Entwicklungshilfe führte, soll die Sondertagung bei der Entscheidung darüber helfen, wohin ein grosser Teil dieser Gelder fliessen soll.

Der Bericht "Wir, die Kinder" geht ausführlich auf die Fortschritte ein, die seit dem Weltkindergipfel 1990 erreicht wurden. Damals hatten sich die Regierungen auf konkrete Ziele für die Entwicklung der Kinder geeinigt. Systematische und eingehende Überprüfungen dieser Fortschritte haben unmissverständlich aufgezeigt, wo die Welt Erfolge erzielt hat, wo sie gescheitert ist -- und warum sie gescheitert ist. Insgesamt zeigen diese Untersuchungen, dass es der internationalen Gemeinschaft nicht gelungen ist, die notwendigen Investitionen für junge Menschen aufzubringen: Mehr als 10,5 Millionen Kinder sterben nach wie vor jedes Jahr zumeist aus einfach vermeidbaren Gründen. Rund 150 Millionen Kinder sind unterernährt und über 120 Millionen gehen nicht zur Schule, die Mehrheit davon Mädchen.

"Es ist eindeutig, dass die Kinder der Welt nicht den versprochenen 'ersten Zugriff' auf die Finanzmittel gehabt haben -- trotz des aussergewöhnlichen Wachstums der Weltwirtschaft. Folglich muss jetzt mehr getan werden und mit grösserer Dringlichkeit", heisst es in dem Bericht. "Nationale Politiker müssen handeln und dabei die wichtigste Lehre aus der Vergangenheit vor Augen haben, nämlich dass Investitionen in junge Menschen schon von frühester Kindheit an weder eine Geste der Wohltätigkeit noch ein besonderer Luxus sind, sondern der beste Weg, um langfristige Entwicklung zu gewährleisten."

Ein Wegweiser in die Zukunft

Die Sondertagung über Kinder findet im Rahmen einer Reihe wichtiger internationaler Konferenzen statt, die Konzepte zur Minderung der Armut weltweit entwerfen. Für die Sondertagung ist der weitere Weg im Kinderbericht und im Entwurf des Abschlussdokuments "Eine Welt geeignet für Kinder" vorgezeichnet.

"Wir, die Kinder" ist die auf den neuesten Stand gebrachte überarbeitete Fassung eines Berichts, der im vergangenen Juni in Vorbereitung für die ursprünglich für September geplante Sondertagung veröffentlicht wurde. Aufgrund der Terroranschläge in New York und Washington wurde die Sondertagung dann aber auf dieses Frühjahr verschoben. Der 102 Seiten starke Bericht und ein völlig neuer Statistik-Anhang mit Farbgraphiken, Tabellen und Charts analysiert den Fortschritt der Staaten im letzten Jahrzehnt in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Ernährung und Schutz der Kinder.

"Dank der Vorarbeiten auf nationaler und internationaler Ebene liegen die Erkenntnisse und Richtlinien bereits vor", sagt Mignonette Patricia Durrant, Ständige Vertreterin Jamaikas bei den Vereinten Nationen und Vorsitzende des Vorbereitungsausschusses für die Tagung. "Wir brauchen die politische und finanzielle Verpflichtung der Staats- und Regierungschefs, damit den Kindern jene Priorität eingeräumt wird, die sie verdienen. Darüber werden wir auf der Sondertagung reden."

Investitionen in Kinder sind eine zentrale Aufgabe

Mit der Einsicht, dass wirtschaftliche Entwicklung und sozialer Zusammenhalt mit Investitionen in Kinder beginnt, greifen die Vereinten Nationen auf bewährte historische Belege zurück. Während der Zeit des raschen wirtschaftlichen Aufschwungs in Europa im 19. Jahrhundert investierten die Länder in Grundschulbildung und breiten Zugang zum Gesundheitswesen. Im 20. Jahrhundert gingen ostasiatische Länder in ähnlicher Weise mit Erfolg vor. Durch umfangreiche Finanzmittel und den erforderlichen politischen Willen ist dies auch im 21. Jahrhundert für Länder möglich, in denen ungefähr eine Milliarde Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen.

Die Hilfsprogramme für Kinder wirken direkt und sind ausserordentlich effizient: Es geht um Impfungen, Ernährung, Hygienemassnahmen und eine umfassende Ausbildung für jedes Kind. Der wirtschaftliche Nutzen solcher Investitionen ist ausreichend belegt. Eine Studie von 1998 der Rand Corporation fand heraus, dass man für jeden Dollar, der in die körperliche und geistige Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern investiert wird, sieben Dollar zurückerhält, vor allem durch künftige Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen, beim Förderunterricht, bei der Arbeitslosenunterstützung und der Kriminalitätsbe- kämpfung. Weitere Untersuchungen zeigen umfangreiche Renditen aus Investitionen in Gesundheit und Bildung.

"Leider wenden viele Regierungen nicht jene Mittel für die Kinder auf, dies diese verdienen würden. Das gilt sowohl für Entwicklungsländer wie auch für die Geberländer, die Finanzmittel bereitstellen", sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Carol Bellamy. "So werden wir wohl weiterhin feststellen müssen, was vielen offensichtlich erscheint: nämlich dass gesunde und ausgebildete Kinder entscheidende Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung sind. Wenn wir die Armut wirklich überwinden wollen, heisst das, dass wir vor allem in die Kinder investieren müssen."

"Wir die Kinder": Haupttrends

Der Bericht "Wir, die Kinder" gibt mit seinem statistischen Anhang die Ergebnisse der bislang grössten Datenerhebung und Analyse darüber wieder, inwieweit die Welt ihre gegenüber den Frauen und Kindern abgegebenen Versprechen eingehalten hat. Hier ein Vergleich zwischen den 1990 festgelegten Zielen und dem Stand des Jahres 2000:

Die Säuglingssterblichkeit und Kindersterblichkeit unter 5 Jahren sollte um ein Drittel gesenkt werden. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass die Kindersterblichkeitsrate weltweit im Durchschnitt um elf Prozent gesunken ist, von 93 auf 83 Todesfälle auf 1.000 Lebendgeburten. Mehr als 60 Länder haben die Reduzierung um ein Drittel erreicht. Die Sterberaten sind aber in Afrika und Südasien extrem hoch. Mangelernährung spielt bei der Hälfte aller Todesfälle eine Rolle.

Die schwere und mittlere Mangelernährung von Kindern unter fünf Jahren sollte um die Hälfte reduziert werden. Der Bericht zeigt, dass in den Entwicklungsländern weit verbreitetes Untergewicht - der wichtigste Faktor, zur Feststellung von Mangelernährung - nur von 32 auf 28 Prozent ge- sunken ist. Diese Zahl stellt eine der grössten Herausforderungen für die Entwicklungsarbeit dar. Sie führt bei Kindern zu unzähligen Krankheiten und hemmt ihre gesamte Entwicklung.

Der allgemeine Zugang zur Grundbildung sollte verbessert werden, mit dem Ziel, dass 80 Prozent der Kinder die Grundschule abschliessen. Im Jahr 2000 waren rund 82 Prozent der Kinder im Grund- schulalter angemeldet oder besuchten eine Schule. 1990 waren es noch 80 Prozent. Trotzdem bleibt die Abschlussrate viel niedriger. Ein Viertel aller Kinder verlässt die Schule in der fünften Klasse, ausserdem gehen fast 120 Millionen Kinder überhaupt nicht zur Schule.

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Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Patsy Robertson, UNICEF-Pressestelle, New York, Tel.: (+1 212) 326-7270; Laufey Love, UNO-Hauptabteilung Presse und Information, Tel.: (+1-212) 963-3507; Liza Barrie, UNICEF Pressechefin, Tel.: (+1-212) 326-7593; Alfred Ironside, UNICEF-Presse- stelle, New York, Tel.: (+1-212) 326-7261; Wivina Belmonte, UNICEF-Pressestelle Genf, Tel.: (+41-22) 909-5509.

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  * Der aktualisierte Bericht "Wir, die Kinder" ist abrufbar auf der Web-Site der Konferenz unter:

http://www.unicef.org/specialsession/about/sg-report.htm. Die im Juni 2001 fertiggestellte Version ist erhältlich beim UNO-Verlag in Bonn und im Palais des Nations, CH-1211 Genf 10, Schweiz, Tel. +4-22 917-2614, Fax+41-22 917-0027, E-Mail: unpubli@unog.ch, Internet: www.un.org/publications.