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UNIS/SGSM/1169
24. September 2021

Der Generalsekretär

Redebeitrag des Generalsekretärs
zum Gipfel zu Ernährungssystemen

New York, 23. September 2021

Exzellenzen, verehrte Gäste,

Nahrung bedeutet Leben.

Doch überall auf der Welt gibt es Länder, Gemeinschaften und Haushalte, die dieses grundlegende Bedürfnis — dieses Menschenrecht — nicht erfüllen können.

Jeden Tag gehen Hunderte Millionen Menschen mit leerem Magen zu Bett.

Kinder hungern.

Drei Milliarden Menschen können sich eine gesunde Ernährung nicht leisten.

Zwei Milliarden sind übergewichtig oder adipös, 462 Millionen sind untergewichtig.

Währenddessen geht fast ein Drittel aller erzeugten Nahrungsmittel verloren oder wird verschwendet.

Wir müssen eine Welt schaffen, in der gesunde und nährstoffreiche Nahrungsmittel überall und für alle Menschen verfügbar und bezahlbar sind.

Wir kennen die Herausforderung, vor der wir stehen – sie ist nicht neu. Doch durch die COVID-19-Pandemie ist sie erheblich größer geworden.

Die Pandemie hat die Ungleichheiten verschärft, Volkswirtschaften enorm geschwächt und Millionen Menschen in extreme Armut gestürzt. Auch lässt sie in immer mehr Ländern das Schreckgespenst einer Hungersnot neu aufleben.

Zugleich führen wir einen Krieg gegen die Natur — und bekommen nun eine schmerzhafte Rechnung dafür präsentiert: Ernteausfälle, schwindende Einkommen und Ernährungssysteme, die zusammenbrechen.

Unsere Ernährungssysteme sind außerdem für ein Drittel aller Treibhausgasemissionen und für bis zu 80 Prozent des Verlusts an Biodiversität verantwortlich.

Gleichzeitig kann und muss den Ernährungssystemen bei der Bewältigung aller dieser Herausforderungen eine führende Rolle zukommen, damit wir die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 erreichen.

Sie wissen das sehr gut, denn Sie waren in den letzten 18 Monaten Teil einer bemerkenswerten globalen Mobilisierung.

In einer Zeit, in der die Pandemie uns räumlich voneinander getrennt hat, haben uns die Vorbereitungen für diesen Gipfel geeint.

Im Rahmen nationaler Dialoge brachten die Regierungen Unternehmen, Gemeinschaften und die Zivilgesellschaft zusammen, um Wege für die Zukunft der Ernährungssysteme in 148 Ländern aufzuzeigen.

Mehr als 100.000 Menschen beteiligten sich an den Beratungen und Diskussionen über mögliche Lösungen, von denen viele nun auf diesem Gipfel vorgestellt werden.

Sie haben dem Multilateralismus neues Leben eingehaucht, und Sie weisen den Weg zu Ernährungssystemen, die die globale Erholung in drei grundlegenden Hinsichten vorantreiben können: für die Menschen, für unseren Planeten und für den Wohlstand.

Erstens brauchen wir Ernährungssysteme, die die Gesundheit und das Wohlergehen aller Menschen fördern.

Fehlernährung, Hunger und Hungersnöte sind keine Naturgewalten.

Sie sind das Ergebnis des Handelns — oder der Untätigkeit — jeder und jedes Einzelnen von uns.

Die Weltgemeinschaft muss in von Konflikten oder klimabedingten Notfällen betroffenen Gebieten die Notfallsysteme für Nahrungsmittel und Ernährung ausbauen.

Wir müssen in Frühwarnsysteme zur Verhinderung von Hungersnöten investieren, und wir müssen alle Systeme, die zur Ernährung beitragen, schockresistent machen — von den Ernährungssystemen selbst bis hin zur Gesundheits- und der Wasser- und Sanitärversorgung.

Eine nährstoffreiche und abwechslungsreiche Ernährung ist häufig zu teuer oder nicht verfügbar.

Dies kann dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine schlechte Wahl treffen — oder erst gar keine Wahl haben.

Ich fordere die Regierungen und Unternehmen nachdrücklich auf, zusammenzuarbeiten, um den Zugang zu gesunder Ernährung zu verbessern, auch durch Anreize für neue Verhaltensweisen.

So freut es mich zum Beispiel, dass sich viele Mitgliedstaaten für den allgemeinen Zugang zu nährstoffreichen Mahlzeiten in Schulen einsetzen — ein großartiges Beispiel dafür, wie Sozialschutz die Resilienz, die Ernährungssicherheit und die Rechte von Kindern und jungen Menschen fördern kann.

Zweitens brauchen wir Ernährungssysteme, die unseren Planeten schützen.

Es ist möglich, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und zugleich unseren Planeten zu schützen.

Das erfordert nachhaltige Konsum- und Produktionsmethoden und naturnahe Lösungen sowie eine intelligente, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, von der Landwirtschaft bis zur Fischerei.

Und es erfordert, dass die Länder auf der bevorstehenden COP26 in Glasgow mutige, zielgerichtete Pläne zur Einhaltung des im Übereinkommen von Paris gegeben Versprechens vorlegen.

Wir müssen den Krieg gegen die Natur beenden, und die Ernährungssysteme können uns helfen, Frieden zu schließen.

Insgesamt müssen wir die Widerstandsfähigkeit der lokalen Ernährungssysteme gegenüber externen Schocks wie Konflikten, Klimawandel und Pandemien stärken.

Drittens und letztens brauchen wir Systeme, die den Wohlstand fördern, und zwar nicht nur den Wohlstand von Unternehmen und Aktionären, sondern auch den der in der Landwirtschaft und im Nahrungsmittelbereich Beschäftigten — ebenso wie den der Milliarden Menschen weltweit, deren Existenzgrundlage von diesem Sektor abhängt.

Sie arbeiten auf den Feldern, liefern Nahrungsmittel zu den Märkten und zu uns nach Hause — und all das während einer außergewöhnlichen Zeit mit Ausgangsbeschränkungen und Verkehrsbeeinträchtigungen.

Diese Frauen und Männer sind die stillen Heldinnen und Helden der letzten 18 Monate.

Allzu häufig sind diese Beschäftigten unterbezahlt und werden sogar ausgebeutet.

Und das, obwohl diese Systeme und die Menschen, die sie am Laufen halten, 10 Prozent der Weltwirtschaft ausmachen.

Sie können zu einer starken Triebkraft für eine inklusive und gerechte Erholung von COVID‑19 werden — aber nur, wenn wir unsere Unterstützung für sie umstellen.

Die Weltgemeinschaft muss Agrarsubventionen und Unterstützungsdienste für Beschäftigte neu denken.

Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Nahrungsmittel betrachten und wertschätzen wollen: wir sollten in ihnen nicht einfach eine Handelsware, sondern ein gemeinsames Recht aller Menschen sehen.

Exzellenzen,

Zur Verwirklichung unserer Ziele in den drei genannten vorrangigen Bereichen braucht es vor allem Partnerschaften.

Nur wenn wir zusammenarbeiten, können wir die außerordentliche Dynamik dieses Gipfels weiterführen.

Die Familie der Vereinten Nationen ist stolz darauf, diesen Weg mit Ihnen zu gehen, und wir sichern Ihnen unsere volle Unterstützung zu.

Das gesamte System wird sich unter der Leitung unserer in Rom ansässigen Organisationen weiterhin für dieses elementare Anliegen einsetzen.

Unsere residierenden Koordinatorinnen und Koordinatoren und unsere Landesteams werden auch weiterhin auf Landesebene Führungsverantwortung übernehmen und Unterstützung leisten.

Wir werden diese Reise gemeinsam fortsetzen und in zwei Jahren erneut zusammenkommen, um Bilanz über die erzielten Fortschritte zu ziehen und diese Energie während der gesamten Aktionsdekade aufrechtzuerhalten.

Außerdem müssen wir erreichen, dass mehr Unternehmen an dieser Aufgabe mitwirken — von Nahrungsmittelproduzenten bis hin zum Transport- und Vermarktungssektor.

Die Zivilgesellschaft muss sich weiter engagieren und ihre Stimme erheben, um weiterhin Veränderungen einzufordern.

Und schließlich müssen wir durchgängig diejenigen einbeziehen, die im Mittelpunkt unserer Ernährungssysteme stehen: landwirtschaftliche Familienbetriebe, Hirtinnen und Hirten, Beschäftigte, indigene Völker, Frauen, junge Menschen.

Lassen Sie uns bei unserer gemeinsamen Arbeit zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung voneinander lernen und einander inspirieren.

Exzellenzen, liebe Freundinnen und Freunde,

Nahrung bedeutet Leben, und Nahrung gibt Hoffnung.

Eine Veränderung unserer Ernährungssysteme ist nicht nur möglich, sondern notwendig — für die Menschen, für unseren Planeten und für den Wohlstand.

Nun kommt es auf uns an.

Machen wir uns an die Arbeit.

Ich danke Ihnen.

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