Kann ein Feind oder Täter ein echter Freund werden? Kann diese Person einen besser verstehen als die eigene Mannschaft? Wie fühlt sich eine Geisel nach der Befreiung und wie ist es möglich, wieder ins normale Leben zurückzukehren?
Das Drama zwischenmenschlicher Beziehungen, die psychologische Aufarbeitung der Opfer einer Geiselnahme sowie das heute weltweit verbreitete Problem der Piraterie werden in der Dokumentation "The Captain and his Pirate" des deutschen Filmemachers Andy Wolff dargestellt. Der Film wurde als Teil der Ciné-ONU Initiative im Topkino am 9. Februar 2015 gezeigt.
Die Dokumentation ist eine bewegende und introspektive Reise, die in ein provisorisches Camp in der somalischen Wüste beziehungsweise in ein experimentelles psychiatrisches Krankenhaus in Deutschland führt. Von diesen abgelegenen Orten aus geben zwei Männer - der redegewandte Piratenführer Ahado und der aufgewühlte frühere Kapitän Krzysztof Kotiuk - grauenvolle Einblicke in die vier Monate, die sie zusammen als Gefangener und Bewacher an Bord des Frachtschiffes Hansa Stavanger verbrachten. Während sie sich in ihrer ungewöhnlichen Verbundenheit arrangierten, entdeckten die beiden Männer das vordringliche menschliche Bedürfnis, andere zu verstehen und selber verstanden zu werden, etwas, das weitaus stärker ist als soziale oder moralische Normen.
An der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Martin Nesirky, dem Direktor des Informationsdienstes der Vereinten Nationen (UNIS) moderiert wurde, nahmen erfahrene Experten aus den Bereichen der klinischen Psychologie und dem Kampf gegen Verbrechen auf See teil: Professor Brigitte Lueger-Schuster von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien und Siri Bjune, Programmbeauftragte in der Justice Section des Büros der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung (UNODC).
"Der Regisseur dieser Dokumentation hat ein sehr gutes Verständnis für die psychologische Beziehung und die soziale Bindung zweier Personen in einer gefährlichen Situation entwickelt. Gemeinsam haben diese einen Weg gefunden, die Geiselnahme zu bewältigen und sie zu überleben", sagte Professor Lueger-Schuster aus der Perspektive der klinischen- und Gesundheitspsychologie. Lueger-Schuster erklärte zudem das sogenannte "Stockholm-Syndrom", ein psychologisches Phänomen, bei dem Geiseln Sympathie für ihren Geiselnehmer entwickeln. "Wenn man von der Außenwelt betrogen wird, muss man anfangen, einander zu vertrauen", so Lueger-Schuster.
Siri Bjune betonte die Arbeit und Erfolge des Maritime Crime Programme (MCP) von UNDOC bei der Bekämpfung der Piraterie und dem maritimen Kapazitätenaufbau in den betroffenen Regionen. Das Programm unterstützt Staaten im Kampf gegen Verbrechen auf See am Horn von Afrika und in den Regionen im Indischen Ozean.
"Dank des Programms gab es in den letzten zwei Jahren keinen einzigen erfolgreichen Piratenangriff mehr. Dies ist auf die fortlaufende Verfolgung von Piraten, Petrouillen auf See und entlang der Küsten durch die EU und NATO und den Austausch bewährter Vorgehensweisen, etwa wie man verhindern kann, dass Schiffe von Piraten abgefangen werden, zurückzuführen. "
Neben der Bekämpfung von Verbrechen auf See und der Konzentration auf die kriminellen Aspekte des Problems ist eine weitere wichtige Aufgabe des Maritime Programme von UNODC und dem United Nations Trust Fund on Piracy (Treuhandfonds der Vereinten Nationen für Piraterie) der Kapazitätenaufbau für die betroffenen Länder und Gemeinschaften. Dazu gehören auch die Schaffung von alternativen Lösungen und Existenzgrundlagen, um zu verhindern, dass Menschen ihren Lebensunterhalt durch Piraterie bestreiten, insbesondere in Somalia. "Wir untersuchen die Möglichkeit breiterer geographischer Perspketiven und arbeiten mit den nationalen Küstenwachen, maritimen Polizeibehörden und Gefängnissen in den Ländern zusammen, um zu helfen, ehemalige und gegenwärtige Täter davon abzuhalten, erneut Straftaten zu begehen", erklärte Siri Bjune.
Die Vorführung der Dokumentation "The Captain and his Pirate" wurde vom Informationsdienst der Vereinten Nationen (UNIS) Wien in Zusammenarbeit mit This Human World Film Festival und Topkino organisiert, mit Unterstützung der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in Wien.