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"Wenn ein Baby geboren wird, fragen wir immer: Ist es ein Bub oder ein Mädchen? Was, wenn es keines von beiden ist?"

"Intersexualität ist nicht ungewöhnlich; sie ist nur nicht bekannt". Dies sagte einer der Protagonisten in dem Dokumentarfilm Intersexion, der von UNIS anlässlich des Tages der Menschenrechte 2015 (10. Dezember) als Teil der "UN's Free & Equal Film Series" gezeigt wurde. Der Film von Grant Lahood zeigt intersexuelle Menschen in den USA, in Irland, Deutschland, Südafrika und Australien, die ihre Geschichten in Interviews erzählen. Anhand ihrer Erfahrungen seit der Geburt, über ihre Jugend, Adoleszenz bis zum Erwachsenenalter untersucht der Film, wie diese Menschen damit umgingen, intersexuell zu sein, und wie ihre Eltern, Familien und Freunde damit umgingen.

Obwohl eines von 2000 Babies intersexuell geboren werden kann, gibt es noch immer viel Scham und Verschwiegenheit über dieses Thema und die meisten Menschen wissen nichts darüber. Viele intersexuelle Menschen sprechen nicht über ihre Sexualität und versuchen, ihr Geschlecht zu verbergen. Intersexion berichtet über die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Das beginnt bei "Normalisierungs"-Operationen, den Regeln von Ärzten und der Diskrepanz zwischen dem Äußeren und dem Inneren von intersexuellen Menschen.

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen Gorji Marzban, Mitbegründer und Mitglied des Vereins Intersexueller Menschen Österreich, und Dennis van der Veur, Leiter der Abteilung für Zusammenarbeit mit EU-Institutionen und EU-Mitgliedstaaten der in Wien angesiedelten Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) teil. Moderiert hat Martin Nesirky, Direktor des Informationsdienstes der Vereinten Nationen (UNIS) Wien.

Zur Frage über den Film und VIMÖ betonte Gorji Marzban, ein Ziel seines Vereins sei, intersexuelle Menschen zu ermutigen, sich so wohlzufühlen, was sie sind. Viele Menschen, die beim VIMÖ Unterstützung suchen, haben Angst davor, was passieren könnte, wenn sie an die Öffentlichkeit gehen. "Sie haben Angst vor dem, was passieren könnte, dass sie ihren Job verlieren werden, ihre Familien und so weiter, und deshalb bleiben viele von ihnen im Verborgenen", sagte Marzban. Weiters meinte er, dass die Dokumentation zeigt, dass jede Person individuell ist und eine individuelle Sexualität hat, und dass die Realität von intersexuellen Menschen sehr gut aus erster Hand dargestellt wird.

Dennis van der Veur bemerkte, dass das Thema in dem Film sehr ausgewogen dargestellt wurde, während die Herausforderungen, die mit Intersexualität einhergehen, dargelegt wurden.

Eines der Ziele der Agentur ist, Fakten in den 28 EU-Mitgliedstaaten zu sammeln, da über dieses Thema im Vergleich zu den Kinderrechten und den Rechten von LGBTI (Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle) Menschen nicht viel bekannt ist, bemerkte Dennis van der Veur. Während ihrer Nachforschungen fand die Agentur, dass 21 von 28 EU-Ländern noch immer Geschlechts-"Normalisierungs"-Länder sind, einschließlich Österreich. In vielen Ländern werden Kinder nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden, obwohl diese Länder die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ratifiziert haben. In sehr wenigen Ländern gibt es die Flexibilität über die Deklarierung des Geschlechts eines neugeborenen Kindes. Die Möglichkeit, später zu entscheiden und Dinge nicht zu überstürzen, ist in den meisten Ländern nicht gegeben. Marzban meinte, dass das erste Ziel ein Gesetz sein müsste, alle Interventionen an Neugeborenen zu stoppen und betonte: "Keine Operationen, die nicht lebensrettend sind, keine geschlechtsbestimmenden Operationen ohne Zustimmung jener Menschen, die operiert werden".

Um das Bewusstsein über dieses Thema zu erhöhen, bedarf es einer Diskussion auf politischer Ebene. Leider sind Politiker generell nicht sehr unterstützend, sagte Marzban, und bemerkte, dass zum Beispiel geplante Treffen verschoben wurden. Er sagte, dass VIMÖ das Ziel hat, ein drittes Geschlecht zu schaffen, denn zur Zeit gibt es nur die Kategorien Mann und Frau und intersexuelle Menschen haben de facto keinen Status, was die Frage der Menschenrechte aufwirft. Marzban beschreibt es so: "Wenn ein Kind geboren wird, das intersexuell ist, warum soll es gezwungen werden, sich an eine Kategorie anzupassen? Menschen können für ihr ganzes Leben geschädigt werden und das ist unverantwortlich." Und fügte hinzu: "Natürlich haben verschiedene Gesellschaften verschiedene Zugänge zu diesem Thema, aber wir möchten ihren Körper bewahren wie er ist und ihnen die Möglichkeit geben, intersexuell zu bleiben". Operationen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Medizin keinen Penis oder keine Vagina konstruieren kann und sogar Ärzte sagen, dass ihre Bemühungen um Verbesserung fehlschlagen.

Bisher haben 12 UN-Einheiten eine Erklärung abgegeben und zum gemeinsamen Handeln aufgerufen, um die Gewalt und Diskriminierung gegen LGBTI-Erwachsene, Jugendliche und Kinder zu beenden. Dennis van der Veur fügte hinzu, dass mehr Forschung betrieben werden muss. Ein Dialog unter Medizinern und Bewusstseinsbildung sind wichtig, zum Beispiel in Schulen, indem man Filme wie Intersexion zeigt. Letztendlich bleibt es den nationalen Regierungen überlassen, ihre Gesetze zu ändern.

Dennis van der Veur sagte, dass Geschlechts-"Normalisierungs"-Operationen aufhören müssen. Schadenersatzansprüche für körperliche Schäden aufgrund von Operationen wurden niemals gewonnen und Schwierigkeiten beim Finden von Krankenhausakten Jahre später machten es noch problematischer, einen Fall zu gewinnen. "Transsexualität wird für sie zu einem Ausweg und viele Menschen fanden ihren Frieden, sind aber damit nicht zufrieden", sagte van der Veur am Ende.

Ciné-ONU Vienna wird von UNIS Wien in Zusammenarbeit mit dem Top Kino und This Human World Filmfestival organisiert.