"Die Welt muss verstehen, dass Flüchtlinge nicht versuchen ein besseres Leben zu bekommen. Sie versuchen bloß überhaupt ein Leben zu haben".
In nur zwei Sätzen verdichtet einer der wahren Protagonisten des Dokumentarfilms The Crossing das Elend von tausenden Flüchtlingen. Krieg und Verfolgung zwingen sie, ihr altes Leben aufzugeben und eine beschwerliche Reise in eine ungewisse Zukunft anzutreten.
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte (10. Dezember) und in Kooperation mit dem Büro des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) in Österreich, dem Global Migration Film Festival, dem this human world (thw) Filmfestival und Topkino, organisiert der Informationsdienst der Vereinten Nationen (UNIS) Wien eine Vorführung von Regisseur George Kurians einfühlsamen Aufzeichnungen dieser Zerreißprobe.
Bei diesem Event wurde die UN-weite Kampagne "GEMEINSAM: Respekt, Sicherheit und Würde für Alle" vorgestellt, die im September diesen Jahres vom UNO- Generalsekretär gestartet wurde, um Vielfalt, Inklusion und weltweite Solidarität zu fördern.
The Crossing begleitet eine bunt gemischte Gruppe von Syrern, Journalisten, Ingenieuren, einem Musiker und einem Psychologen, während sie auf ein nicht seetaugliches Boot klettern. Sie erklären uns, wieso sie, nachdem sie sowohl ihre Existenz als auch einige Familienmitglieder verloren haben, gewillt sind, ihr Leben und das ihrer Kinder aufs Spiel zu setzen - nur für den kleinen Hoffnungschimmer eines neuen Lebens in Europa.
Jeder Zerstörung und Entbehrung zum Trotz kommen sie wohlbehalten an der Küste Italiens an. Eine der Frauen, Aifa, verkündet euphorisch, dass diese Ankunft "das Ende einer Ära ist. Der Ära des Wartens auf Nichts; der Ära des Zeitverlierens; der Ära, wo das Leben wie Sand zwischen den Händen verrinnt".
Doch nach Wochen und Monaten, wo sie von einem Flüchtlingslager ins nächste transportiert werden, wo sie sich von neu gewonnenen Freunden trennen müssen, wo sie zum Nichtstun verdammt sind, und wo sie all zu oft Internetvideos von ihrer zerbombten Heimatstadt sehen, beginnt die ungemeine Unsicherheit sie zu zermürben.
Im Anschluss an die Vorstellung folgte eine Diskussion mit Friso Roscam Abbing, dem Leiter der Abteilung für die Förderung Fundamentaler Rechte der Fundamental Rights Agency; Ruth Schöffl, Pressesprecherin von UNHCR Österreich, und Asif Safdary, einem ehemaligen Flüchtling aus Afghanistan, der als unbegleiteter Minderjähriger nach Österreich kam und nun als Integrationsbotschafter arbeitet. Das Gespräch wurde von UNIS-Direktor Martin Nesirky moderiert.
Asif Safdary begann die Diskussion mit einem afghanischen Sprichwort: "Das Meer ist ein dunkler, tiefer Friedhof." Er betonte, dass ungeachtet aller Strapazen, die die Truppe Syrer ertragen musste - sowohl auf hoher See als auch am Land in Europa -, sie trotzdem zu den wenigen glücklichen Überlebenden in dieser Krise gehören. Trotz des Gefühls der Entwurzelung und der Depressionen, an denen viele litten, bleibt der Film The Crossing in seiner Essenz eine Geschichte der Hoffnung.
Safdary erwähnte auch, dass seine Erfahrung einer erfolgreich funktionierenden Integration bloß eine Reihe glücklicher Zufälle ist. Die Hürden, die Flüchtlingen den Weg in ein neues Leben versperren, sind in der Tat sehr groß. Als Integrationsbotschafter engagiert er sich in unterschiedlichen Organisationen, um anderen einen einfacheren Start zu ermöglichen, als der, den er selbst hatte.
Friso Roscam Abbing von der Fundamental Rights Agency bezeichnete die Notwendigkeit, dass Menschen auf so gefährliche und unmenschliche Weise vor Verfolgung fliehen müssen, als ungeheuerlich. Sowohl er als auch Ruth Schöffl von UNHCR hoben die Wichtigkeit, Best-Practice Modelle einer sicheren Migration zu fördern, und funktionsfähige Alternativen zum heutigen Migrations-Management zu finden, hervor.
"Nicht nur internationale Organisationen müssen sich bemühen, gangbare Lösungen zu finden, sichere Migration zu ermöglichen und sozialen Druck zu lindern. Jeder hat einen Beitrag zu leisten", zeigte Roscam Abbing auf. "Deshalb ist die GEMEINSAM Kampagne so essenziell. Wir müssen uns wieder mit unserer Rolle als aktive Bürger Europas auseinandersetzen, die nicht nur die Ausübung von Rechten, sondern auch die Einhaltung von Pflichten gegenüber unseren Nächsten beinhaltet."
Ein Zitat aus dem Film erfasst perfekt die Erkenntnisse der Diskussion: "Was möchten Syrer für sich selbst und von anderen? Ein Flüchtling braucht nicht nur Nahrung und Schutz; was ein Flüchtling braucht, ist gefunden zu werden."