An einem sonnigen Morgen Ende September lächelt ein junger Mann in Jeans und Sonnenbrillen eine Gruppe junger österreichischer Schüler und Schülerinnen freundlich an. Er sieht aus wie du und ich und niemand weiß, welch schreckliche Dinge er während seiner einjährigen Flucht erlebt hat. Murtaza, ein 23-jähriger Flüchtling aus Afghanistan, verließ sein Land wegen politischer Verfolgung, der er als Journalist ausgesetzt war. Nun ist er Student der Universität Wien. Heute hören sie seine Geschichte.
Bevor er weg ging, sagte er zu seiner Mutter: "Ich denke, es ist eine einfache Reise, aber ich weiß nicht, was auf mich wartet."
Er verbrachte lange Zeit eingepfercht "wie Sardinen" in einem LKW, ohne Bewegungsfreiheit. "Ich möchte mich daran nicht mehr erinnen", sagte er. Während seiner Reise verlor er das meiste Gepäck, ebenso wie seine Ahnungslosigkeit über die Welt. "Jetzt weiß ich, wie naiv ich war am Beginn der Reise", meinte er weiter.
Das junge Publikum lauschte erstaunt seinen Erfahrungen und hörte aufmerksam seine Worte. Ein Mädchen sagte, dass sie sich nicht vorstellen könne, wie jemand überleben kann, was er durchgemacht hat.
Nach einem Jahr kam er in Wien an und erwartete einen Neustart, aber was folgte waren Depression, das Gefühl des Nichthabens, nicht einmal Freunde. Er sagte: "Ich habe mein Zuhause verloren, und ich bin ein Aussenseiter hier. Ich erinnere mich, ich stand auf der Mariahilfer Straße. Menschen gingen unaufhaltsam an mir vorbei, sie waren in einer Parallelwelt zu meiner."
Er hat jetzt eineinhalb Jahre in Wien verbracht und sich an sein neues Leben angepasst. "Es gefällt mir hier, es ist jetzt mein Zuhause. Ich habe mehr Vertrauen. Ich liebe dieses multikulturelle Umfeld, und ich habe eine Chance, mein eigenes Leben zu führen."
Auf die Frage nach seiner jetzigen Identität sagte er, dass er ein Mensch sei und sich nicht um Nationalitäten kümmere. Er studiert Politikwissenschaften an der Universität, aber er hasst Politik. Die Schüler lachten als er dies sagte.
Am Ende der Führung wurde ein Schüler gefragt, ob er jetzt einen anderen Eindruck von Flüchtlingen hätte, nachdem er Murtaza getroffen hätte. Er verneinte: "Ich mag sie, so wie ich sie auch davor schon mochte."
'Welchen Sport magst du?", fragte ein anderer Junge. "Oh, Fußball", antwortete Murtaza. "Wirklich, ich liebe auch Fußball, wir spielen jede Woche, würdest du mit uns spielen?" Zuerst zögerte Murtaza, "danke, aber du weißt, ich bin sehr scheu". Der österreichische Junge versuchte es wieder, dann sagte der junge Afghane "ok, ich komme". Die beiden Burschen waren über das gemeinsame Spielen aufgeregt.
Das ist nur eine Geschichte vom "Langen Tag der Flucht", den das Flüchtlingsbüro UNHCR und der Besucherdienst von UNIS Wien im Vienna International Centre organisiert hatten. Verschiedene Gymnasien kamen zur UNO in Wien und hörten über das wahre Leben von Flüchtlingen und was wir tun können, um ihnen zu helfen. Heuer fand der Event zum fünften Mal statt und zum ersten Mal, wo Schüler die Möglichkeit hatten, mit einem Flüchtling zu sprechen. Sowohl von den Schülern als auch von den Lehrern wurde dies positiv aufgenommen.