SG/SM/8047
PAL/1899
29. November 2001

Generalsekretär Kofi A. Annan:

Appell an die Nahost-Parteien, wieder auf den Weg des Friedens und der Versöhnung zu finden

Erklärung zum Internationalen Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, 29. November 2001

NEW YORK, 29. November -- Am 29. November 1947 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution 181 (II) über die Teilung Palästinas angenommen. 1977 beschloss die Generalversammlung, diesen Tag alljährlich als Internationalen Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu begehen. Aus Anlass dieses Tages hat Generalsekretär Kofi Annan folgende Erklärung veröffentlicht:

Der Internationale Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk wird in diesem Jahr in einer für den Nahen Osten wie für die ganze Welt sehr kritischen Zeit begangen. Eskalierende Gewalt und große Verluste an Menschenleben - zum größten Teil unter den Palästinensern, aber auch unter den Israeli - haben gegenseitiges Misstrauen und Animosität zwischen den beiden Volksgemeinschaften verschärft und die Bemühungen um einen Brückenschlag zur Versöhnung und Partnerschaft untergraben.

Seit dem Gipfel von Scharm El-Scheik im Oktober 2000 haben sich internationale und regionale Akteure wiederholt darum bemüht, die Parteien an den Verhandlungstisch zurück zu bringen. Vor wenigen Monaten hat die Scharm El-Scheik Fact-Finding Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Senators George Mitchell ein ausgewogenes und vernünftiges Paket von Empfehlungen vorgelegt, deren Umsetzung die Parteien von vertrauensbildenden Maßnahmen zu substantiellen Verhandlungen führen könnte. Dies würde auch im Einklang mit der Verständigung über Sicherheitsfragen stehen, die unter der Schirmherrschaft von CIA-Direktor George Tenet erzielt wurde. Ich bin davon überzeugt, dass eine vollständige Umsetzung der Mitchell-Empfehlungen den besten Weg zu einer friedlichen Lösung auf der Grundlage der Resolutionen 242 und 338 und des Grundsatzes "Land für Frieden" darstellt.

Die schrecklichen Terroranschläge vom 11. September haben schwerwiegende Folgen für die Ereignisse in aller Welt gehabt. Im Falle des Nahen Osten spüren wir erneut, wie dringlich eine friedliche Lösung der Palästinafrage ist. Ich habe mit besonderer Befriedigung das Bekenntnis von Präsident Arafat und Außenminister Peres zur Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen und zum Dialog vernommen, das sie bei ihrem Treffen Ende September erneuert haben. Die seither stattgefundenen Entwicklungen - vor allem die Ermordung des israelischen Kabinettsmitglieds Minister Ze'evy und das Eindringen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte in Gebiete unter palästinensischer Kontrolle - haben die Lage jedoch noch verschlimmert. Das Engagement der internationalen Gemeinschaft, vor allem der Vereinigten Staaten, der Russischen Föderation, der Europäischen Union, der Vereinten Nationen und anderer Mitgliedstaaten wie Ägypten und Jordanien, ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

Die Parteien müssen jetzt auch die Errungenschaften des Friedensprozesses bewahren und alles in ihren Kräften Stehende tun, um wieder auf den Weg des Friedens und der Versöhnung zu finden. Beide Seiten müssen erkennen, dass Gewalt und der exzessive Einsatz militärischer Macht die Feinde des Fortschritts sind. Ich teile die Hoffnung, die Präsident Bush und der amerikanische Außenminister Powell zum Ausdruck gebracht haben, dass die israelische Besetzung bald enden und in nicht allzu ferner Zeit zwei Staaten - Israel und Palästina - Seite an Seite in Frieden, Sicherheit und gegenseitiger Achtung leben werden. Dazu sollten die Erweiterung der Siedlungen, alle Akte von Terrorismus, sowie alle Wirtschaftsblockaden und jedes Eindringen in autonome Gebiete unverzüglich eingestellt werden.

Die Krise der vergangenen 14 Monate hat katastrophale Auswirkungen auf die palästinensische Wirtschaft gezeitigt. Wiederholte Grenzschließungen und die Absperrung interner Übergänge haben zu einer dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen und zu einem drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Armut geführt und zum allgemeinen Gefühl der Verzweiflung, Frustration und Wut unter der Palästinensern beigetragen. Die internationale Gebergemeinschaft hat dringend benötigte Mittel zur Unterstützung der Palästinensischen Behörde und ihrer Institutionen zur Verfügung gestellt und wichtige Notstandshilfe für die palästinensische Bevölkerung geleistet. Weitere Hilfe wird in Kürze erforderlich sein.

Das UNO-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten spielt eine zentrale Rolle bei der Linderung der wachsende Not der Flüchtlingsgemeinschaft. Auch das UNO-Entwicklungsprogramm und viele andere UNO-Organisationen sind vor Ort tätig. Ferner ist die Unterstützung der Gebergemeinschaft von entscheidender Bedeutung, besonders jetzt, in einer Zeit der Krise und ernster wirtschaftlicher Not.

Der UNO-Sonderkoordinator für den Nahost-Prozess, Terje Roed-Larsen, hat bislang eng mit den Parteien und Vertretern der internationalen Gemeinschaft in der Region zusammengearbeitet mit der Absicht, den Friedensprozess zu unterstützen und die internationale Hilfe auf dem Gebiet der Nothilfe und Entwicklung zu koordinieren.

Auch ich werde die Arbeit mit allen Parteien fortführen, bis eine umfassende, gerechte und dauerhafte Lösung der Palästinafrage erreicht wird, die auf den Resolutionen 242 und 338 des Sicherheitsrats sowie auf dem Prinzip "Land für Frieden" beruht. Zu Beginn des neuen Millenniums sollte es dem palästinensischen Volk endlich ermöglicht werden, ihre unveräußerlichen Rechte auszuüben, auch das Recht auf Selbstbestimmung und auf einen eigenen Staat.

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