SG/SM/8431
OBV/297
16. Oktober 2002

Generalsekretär Kofi A. Annan:

"Extreme Armut ist eine weltweite Bedrohung für die Sicherheit der Menschen"

Erklärung zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut, 17. Oktober 2002

NEW YORK, 16. Oktober -- Der 17. Oktober wird als Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut begangen. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat aus diesem Anlass folgende Erklärung veröffentlicht:

Vor zwei Jahren, auf dem Millenniumsgipfel, haben die Staats- und Regierungschefs den globalen Fortschritt anerkannt, der im Kampf für die menschliche Entwicklung erzielt worden ist. Sie haben aber auch einige der ernsthaften Hindernisse und Gefahren aufgezeigt -- wie HIV/Aids, Konflikte und Terrorismus --, welche noch zwischen der Menschheit und der Verwirklichung ihrer Hoffnung auf Befreiung von Not und Angst stehen. Ihre Antwort war die Verabschiedung der Millenniumserklärung: eine klare Stellungnahme bezüglich den vorrangig zu ergreifenden Maßnahmen und den zugrunde liegenden Werten im neuen Jahrtausend.

Unter diesen Prioritäten ist keine wichtiger als das Versprechen, "keine Mühen zu scheuen, um unsere Mitmenschen -- Männer, Frauen und Kinder -- aus den erbärmlichen und unmenschlichen Lebensbedingungen der extremen Armut zu befreien". Sie beschlossen insbesondere, bis zum Jahr 2015 den Anteil der Menschen weltweit zu halbieren, die in extremer Armut, Hunger und ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser leben; die Kindersterblichkeitsrate um zwei Drittel und die Müttersterblichkeitsrate um drei Viertel zu reduzieren; die Ausbreitung von HIV/Aids einzudämmen sowie das Auftreten schwerer Krankheiten zu verringern; die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung in ihre lokale Politik zu integrieren und eine globale Partnerschaft für Entwicklung einzugehen.

Dieser internationale Tag für die Beseitigung von Armut ist eine Gelegenheit für uns alle, unsere Verpflichtung zu diesen Millenniums-Entwicklungszielen zu bekräftigen und über die bisherigen Fortschritte -- oder ihr Ausbleiben, nachzudenken.

Ohne Zweifel hat die Welt Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gemacht. Gemäß den neuesten Zahlen ist der Anteil der Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag in Entwicklungsländern auskommen müsse, von einem Drittel im Jahr 1990 (das vereinbarte Bezugsjahr, an dem Fortschritte gemessen werden sollen) auf ein Viertel im Jahr 1999 gesunken. Aber nicht jede Region oder jedes Land hat an diesem Fortschritt Anteil gehabt. In Afrika südlich der Sahara, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Nordafrika, sowie in zahlreichen Schwellenländern, ist die absolute Zahl armer Menschen gestiegen.

Im Großen und Ganzen ist die Welt nicht auf dem richtigen Weg, die Millenniums-Entwicklungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen. Im Jahr 2000, das letzte, zu dem Zahlen vorliegen, hätten wir eigentlich schon 40 Prozent des Weges beschritten haben sollen. Aber bei den meisten der Millenniums-Entwicklungsziele zeigen die globalen Daten, dass kaum die Hälfte der Fortschritte erreicht wurde.

Es gibt jedoch Hoffnung. Die Millenniums-Entwicklungsziele sind erreichbar. Aber Armut ist ein alter Feind mit vielen Gesichtern. Es bedarf der Zusammenarbeit vieler Akteure, um sie zu besiegen.

Die Millenniums-Entwicklungsziele sind global. Für ihre Erreichung ist jedoch ausschlaggebend, was in jedem einzelnen Land passiert. Es gibt keine magische Formel, die jedes Land anwenden kann, um sie zu erreichen.

Jedes Land muss die richtige Mischung aus politischen Maßnahmen finden - eine Mischung, die zu den lokalen Gegebenheiten passt. Die Menschen aller Länder müssen darauf beharren, dass diese politischen Maßnahmen ergriffen werden.

Niemand sollte denken, dass dies nur auf die Entwicklungsländer zutrifft. Die Industrieländer müssen ebenfalls sicherstellen, dass keine Teile ihrer Bevölkerung zurückbleiben. Und sie haben eine besondere globale Verantwortung. Sie müssen erfüllen, was sie versprochen haben: ihre Märkte vollständig für die Produkte aus Entwicklungsländern zu öffnen; diese Länder zu fairen Bedingungen am Wettbewerb auf dem globalen Markt teilhaben zu lassen; und eine großzügigere Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Ohne dies werden viele Entwicklungsländer die Millenniumsziele nicht erreichen können, wie sehr sie es auch versuchen.

Mit anderen Worten bedeutet dies, dass diese Ziele nicht hier, bei den Vereinten Nationen, oder durch die Arbeit der UNO-Vertreter erreicht werden können. Sie müssen in jedem Land erreicht werden, mittels der Bemühungen der Regierung und der Bevölkerung.

Aus diesem Grund habe ich eine Millenniumskampagne ins Leben gerufen, um die Ziele in der ganzen Welt besser bekannt zu machen und zu versuchen, die öffentliche Meinung zu mobilisieren und für diese Ziele zu gewinnen.

Ich werde jedes Jahr einen globalen Bericht veröffentlichen. Aber ich hoffe, dass jedes Entwicklungsland, mit der Unterstützung der Vereinten Nationen und anderer internationaler Institutionen, auch einen eigenen Jahresbericht erstellt, so dass die Menschen in jedem Land wissen, wie der Stand der Umsetzung ist. Im Zeitalter der Demokratie hoffen wir, dass die Menschen, einmal informiert, auch auf Maßnahmen bestehen.

Lassen Sie uns an diesem Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut anerkennen, dass extreme Armut, wo auch immer, stets eine Bedrohung für die Sicherheit der Menschen ist. Lassen Sie uns wieder ins Gedächtnis rufen, dass Armut eine Aberkennung der Menschenrechte ist. In diesem Zeitalter beispiellosen Reichtums und technischem Können, haben wir zum ersten Mal in der Geschichte die Macht, die Menschheit von dieser beschämenden Geißel zu befreien. Lassen Sie uns den Willen aufbringen, dies zu tun.

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