SG/SM/8492
OBV/3062
15. November 2002

Generalsekretär Kofi A. Annan:

"Ohne Dialog kann es keinen Frieden geben"

Erklärung zum Internationalen Tag der Toleranz, 16. November 2002

NEW YORK, 14. November -- 1996 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen, jedes Jahr am 16. November den Internationalen Tag der Toleranz zu begehen. Aus diesem Anlass hat Generalsekretär Kofi Annan folgende Erklärung veröffentlicht:

Der Internationale Tag der Toleranz richtet die Aufmerksamkeit der Welt auf eine der größten Tugenden der Menschheit. Toleranz darf nicht mit Passivität, Selbstgefälligkeit oder Gleichgültigkeit verwechselt werden. Vielmehr steht sie für ein aktives und positives Engagement für die Vielfalt der Menschen und somit für ein Grundprinzip der Demokratie in unseren multi-ethnischen und multi-kulturellen Gesellschaften.

Intoleranz überschattet das Leben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Selbst in diesem noch jungen Jahrhundert gibt es genügend Beispiele dafür, wie sich Intoleranz in handfester Gewalt manifestieren und zu weit verbreitetem Leid und Verlust an Menschenleben führen kann. Deshalb muss die Förderung von Toleranz eines der wichtigsten Anliegen der Vereinten Nationen bleiben.

Intoleranz äußert sich im alltäglichen Leben in Taten und Verhaltensweisen, die durch ihre Unsensibilität die Gefühle, Würde und Rechte anderer verletzen. Jeder einzelne von uns muss sich im Alltag um mehr Toleranz bemühen. Nur wenn wir Intoleranz und gesellschaftlichen Ausschluss an ihren Wurzeln bekämpfen, können wir sie auf internationaler Ebene wirksam beseitigen.

Wie bei vielen irrationalen Verhaltensweisen liegt die Ursache für Intoleranz häufig in Angst begründet: In der Angst vor dem Unbekannten, dem Fremden und vor allem, das anders ist. Die Wurzel all dieser Ängste ist Unwissenheit und mangelnde Bildung, ein gefährlicher Nährboden für Vorurteile, Hass und Diskriminierung. Bildung ist die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung von Intoleranz. Unsere Kinder müssen daher unbedingt Toleranz lernen, damit sie verstehen, warum die Menschenrechte, die Achtung der Würde und der Respekt vor der Vielfalt der Menschheit so untrennbar mit einander verbunden sind. Auch die Bildung selbst muss frei vom Virus der Intoleranz sein, um den Menschen beizubringen, was ihre gleichen Rechte und Freiheiten sind, damit diese geachtet werden können und in ihnen den Wunsch hervorrufen, auch die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen.

Wenn die Menschheit jemals die Hoffnung haben will, in Frieden miteinander zu leben, dann müssen wir uns kennen und achten lernen. Im Mittelpunkt all unserer Bemühungen zur Förderung der Toleranz muss der offene Dialog stehen - der Dialog zwischen den Individuen wie zwischen den Kulturen. Ohne Dialog ist nicht nur die kulturelle Vielfalt, sondern auch die Kohärenz der Gesellschaft in Gefahr. Ohne Dialog kann es keinen Frieden geben.

Lassen Sie uns an diesem Internationalen Tag der Toleranz beschließen, dass jeder von uns aktiv jene Grundsätze in die Tat umsetzt, die wir weltweit geachtet sehen wollen. Lassen Sie uns erkennen, dass die Arbeit für Toleranz bei jedem Einzelnen von uns beginnt.

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