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UNIS/SGSM/1183
1. November 2021

Der Generalsekretär

Rede zum Weltklimagipfel
26. Konferenz der Vertragsparteien (COP 26)

Glasgow, 1. November 2021

Sehr verehrter Premierminister Johnson, ich möchte mich bei Ihnen und dem Präsidenten der Konferenz Alok Sharma für Ihre Gastfreundschaft, Ihre führende Rolle und Ihren unermüdlichen Einsatz bei der Vorbereitung dieser Konferenz bedanken.

Verehrte Exzellenzen,

die sechs Jahre seit dem Pariser Klimaübereinkommen waren die sechs wärmsten Jahre seit Aufzeichnungsbeginn. 

Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen treibt die Menschheit an den Rand des Abgrunds.

Wir stehen vor einer unausweichlichen Wahl: Entweder stoppen wir diese Abhängigkeit – oder sie stoppt uns.

Die Zeit ist reif, um zu sagen: Es reicht! 

Schluss mit der brutalen Zerstörung der Artenvielfalt!

Schluss mit unserer Selbstzerstörung durch CO2!

Schluss mit dem Missbrauch der Natur als Abfalleimer!

Schluss mit dem Verbrennen, dem Bohren und Vortrieb in immer tiefere Schichten!

Wir schaufeln uns unser eigenes Grab. 

Unser Planet verändert sich vor unseren Augen – von den Meerestiefen bis zu den Berggipfeln, von schmelzenden Gletschern bis zu unerbittlich extremen Wetterereignissen.

Der Meeresspiegel steigt doppelt so schnell an wie vor 30 Jahren.

Die Ozeane sind wärmer als je zuvor und erwärmen sich immer schneller.

Teile des Amazonas-Regenwaldes stoßen inzwischen mehr CO2 aus, als sie aufnehmen.

Die in letzter Zeit angekündigten Klimaschutzmaßnahmen könnten den Eindruck erwecken, als wären wir auf dem richtigen Weg, um diese Entwicklung umzukehren.

Aber dieser Eindruck täuscht. 

Der zuletzt veröffentlichte Bericht über die „national festgelegten Beiträge“ zeigt auf, dass die Erde immer noch zu einem fatalen Temperaturanstieg um 2,7 Grad Celsius verurteilt würde.

Selbst wenn die jüngsten Zusagen klar und glaubhaft wären – an einigen gibt es in der Tat ernste Zweifel –, schliddern wir weiter auf eine Klimakatastrophe zu.

Selbst im günstigsten Fall werden die Temperaturen um deutlich mehr als zwei Grad steigen.

Während wir also diese mit Spannung erwartete Klimakonferenz eröffnen, steuern wir immer noch auf die Katastrophe zu. 

Die jungen Menschen wissen das,

jedes Land erkennt es,

und kleine Inselentwicklungsstaaten und andere gefährdete Staaten erleben es unmittelbar.

Ein Scheitern ist für sie keine Option, sondern ein Todesurteil.

Exzellenzen,

die Stunde der Wahrheit hat geschlagen.

Wir rasen auf Kipppunkte zu, die eskalierende Rückkopplungsschleifen globaler Erwärmung auslösen werden.

Investieren wir aber in eine klimaresiliente Netto-Null-Wirtschaft, setzen wir positive Rückkopplungsschleifen nachhaltigen Wachstums und nachhaltiger Arbeitsplätze und Chancen in Gang. 

Es gibt Fortschritte, auf denen wir aufbauen können. 

Mehrere Länder haben sich glaubhaft verpflichtet, ihre Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf Netto-Null zu reduzieren.

Viele haben die internationale Kohlefinanzierung eingestellt.

Über 700 Städte weisen uns den Weg zur CO2-Neutralität, und auch der Privatsektor ist hellhörig geworden. 

Die institutionellen Kapitalanleger der Net-Zero Asset Owners Alliance – DER Goldstandard für glaubhafte Zusagen und transparente Ziele – verwalten ein Vermögen in Höhe von 10 Billionen Dollar und stoßen branchenübergreifend Veränderungen an.

Die Klimaschutzbewegung, mit jungen Menschen an der Spitze, ist nicht mehr aufzuhalten.

Sie ist größer und lauter und wird sich, das kann ich Ihnen versichern, nicht mehr verdrängen lassen. 

Ich stehe an ihrer Seite.

Exzellenzen,

die wissenschaftlichen Grundlagen sind eindeutig. Wir wissen, was zu tun ist.

Erstens: Wir müssen das 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten.

Dafür sind mehr Ehrgeiz bei der Abschwächung des Klimawandels und unverzügliche, konkrete Maßnahmen zur Verringerung der weltweiten Emissionen um 45 Prozent bis zum Jahr 2030 erforderlich.

Die G20-Länder tragen eine besondere Verantwortung, denn sie verursachen rund 80 Prozent der Emissionen.

Gemäß dem Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten müssen die entwickelten Länder vorangehen.

Aber auch die aufstrebenden Volkswirtschaften müssen sich noch mehr anstrengen, denn ihr Beitrag ist für eine wirksame Senkung der Emissionen unerlässlich.

Von allen Ländern und an allen Fronten müssen wir höchsten Einsatz verlangen, damit Glasgow zum Erfolg wird.

Ich fordere die entwickelten Länder und die aufstrebenden Volkswirtschaften nachdrücklich auf, Bündnisse zu schmieden, mit denen die finanziellen und technologischen Bedingungen geschaffen werden können, um die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu beschleunigen und aus der Kohle auszusteigen.

Machen wir uns keine Illusionen: Wenn die bis zum Ende dieser Konferenz abgegebenen Zusagen unzulänglich sind, müssen die Länder ihre jeweilige Klimaschutzpolitik und -planung neu überdenken.

Und das nicht nur alle fünf Jahre, sondern jedes Jahr. 

So lange, bis die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels gewährleistet ist,

fossile Brennstoffe nicht mehr subventioniert werden,

der CO2-Ausstoß bepreist wird

und der Kohleausstieg vollzogen ist.

Wir brauchen aber auch mehr Klarheit. 

Bei den Emissionssenkungen und Netto-Null-Zielen gibt es aufgrund unterschiedlicher Bedeutungen und Maßstäbe zu wenig Glaubwürdigkeit und zu viel Verwirrung.

Aus diesem Grund gebe ich heute bekannt, dass ich – über die bereits im Pariser Übereinkommen festgelegten Mechanismen hinaus – eine Expertengruppe einsetzen werde, die klare Standards zur Messung und Analyse der Netto-Null-Zusagen nichtstaatlicher Akteure vorschlagen soll.

Zweitens: Wir müssen mehr tun, um gefährdete Gemeinschaften vor den eindeutigen, gegenwärtigen Gefahren des Klimawandels zu schützen.

Im vergangenen Jahrzehnt waren fast 4 Milliarden Menschen von klimabedingten Katastrophen betroffen.

Solche verheerenden Ereignisse werden weiter zunehmen.

Anpassungsmaßnahmen funktionieren.

Frühwarnsysteme retten Leben.

Klimaintelligente Landwirtschaft und Infrastruktur sichern Arbeitsplätze.  

Alle Geber müssen die Hälfte ihrer Klimafinanzierung für Anpassungsmaßnahmen bereitstellen.

Öffentliche und multilaterale Entwicklungsbanken sollten so bald wie möglich damit beginnen.

Drittens: Auf dieser Konferenz müssen wir Solidarität beweisen.

Die Zusage von 100 Milliarden Dollar pro Jahr für die Klimafinanzierung zur Unterstützung der Entwicklungsländer muss Wirklichkeit werden.

Dies ist entscheidend, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Ich begrüße die Anstrengungen, die Kanada und Deutschland unternehmen, um uns diesem Ziel näherzubringen.

Sie sind ein erster Schritt, aber der größte Teil der Unterstützung verzögert sich um Jahre und erfolgt ohne klare Garantien.

Über die 100 Milliarden Dollar hinaus benötigen die Entwicklungsländer weit mehr Mittel, um COVID-19 zu bekämpfen, ihre Widerstandsfähigkeit auszubauen und eine nachhaltige Entwicklung zu verfolgen.

Diejenigen, die am meisten leiden – also die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselentwicklungsstaaten – benötigen dringend finanzielle Hilfe: mehr öffentliche Klimafinanzierung, mehr ausländische Entwicklungszusammenarbeit, mehr Zuschüsse und einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln. 

Und die multilateralen Entwicklungsbanken müssen sich viel ernsthafter um die Mobilisierung größerer Investitionen durch Misch- und Privatfinanzierung bemühen.

Verehrte Exzellenzen,

die Alarmsirenen schrillen. 

Unser Planet und die Menschen auf der ganzen Welt haben uns etwas zu sagen.

Der Klimaschutz steht ganz oben auf der Liste ihrer Anliegen – in allen Ländern, unabhängig von Alter oder Geschlecht.

Wir müssen zuhören, wir müssen handeln, und wir müssen weise entscheiden.

Im Namen dieser und künftiger Generationen richte ich an Sie den eindringlichen Appell:

Entscheiden Sie sich für Ambition und Solidarität!

Entscheiden Sie sich für die Sicherung unserer Zukunft und die Rettung der Menschheit!

Ich danke Ihnen.

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