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UNIS/SGSM/1205
22. Februar 2022

Der Generalsekretär

Bemerkungen an die Presse

New York, 22. Februar 2022

Wie Sie wissen, habe ich einen Auslandsbesuch – unter anderem, um an einem sehr wichtigen Gipfeltreffen afrikanischer Staats- und Regierungsoberhäupter teilzunehmen – abgebrochen und bin zum UN-Amtssitz zurückgeeilt.

Die Welt steht vor der größten globalen Friedens- und Sicherheitskrise der letzten Jahre, auf jeden Fall seit meinem Amtsantritt als Generalsekretär.

Wir befinden uns an einem Moment, von dem ich ehrlich gehofft hatte, dass er nicht eintreten würde.

Ich bin zutiefst beunruhigt über die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine, insbesondere die Meldungen, wonach zunehmend gegen die Waffenruhe an der Kontaktlinie verstoßen wird, und über die reale Gefahr einer weiteren Eskalation vor Ort.

Ich bin besonders besorgt um die Sicherheit und das Wohlergehen all derer, die bereits so viele Verluste an Menschenleben und so viel Zerstörung und Vertreibung erlitten haben.

Um es klar zu sagen: Die Entscheidung der Russischen Föderation, die sogenannte „Unabhängigkeit“ bestimmter Gebiete der Regionen Donezk und Luhansk anzuerkennen, ist eine Verletzung der territorialen Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine.

Diese einseitige Maßnahme steht in direktem Widerspruch zu den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und ist unvereinbar mit der Erklärung der Generalversammlung betreffend freundschaftliche Beziehungen, die der Internationale Gerichtshof wiederholt als Ausdruck des Völkerrechts zitiert hat.

Sie versetzt zudem den vom Sicherheitsrat gebilligten Vereinbarungen von Minsk den Todesstoß.

Die Grundsätze der UN-Charta sind kein Menü à la carte.

Sie können nicht selektiv angewendet werden.

Die Mitgliedstaaten haben sie alle akzeptiert und müssen sie alle anwenden.

Außerdem bin ich besorgt über die Pervertierung des Begriffs der Friedenssicherung.

Ich bin stolz auf die Erfolge der UN-Friedenssicherungseinsätze, bei denen so viele Blauhelme für den Schutz von Zivilpersonen ihr Leben geopfert haben.

Wenn Truppen eines Landes ohne die Zustimmung eines anderen Landes in dessen Hoheitsgebiet eindringen, dann handelt es sich nicht um unparteiische Friedenstruppen.

Sie sind überhaupt keine Friedenstruppen.

Im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats und der Generalversammlung stehen die Vereinten Nationen uneingeschränkt hinter der Souveränität, politischen Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen.

Wir unterstützen die Menschen in der Ukraine weiter durch unsere humanitären Einsätze und Menschenrechtsbemühungen.

In diesem kritischen Augenblick fordere ich eine sofortige Waffenruhe und die Wiederherstellung der Herrschaft des Rechts.

Wir brauchen Mäßigung und Vernunft.

Wir brauchen jetzt Deeskalation.

Ich fordere alle auf, Handlungen und Äußerungen zu unterlassen, die diese gefährliche Situation über den Rand des Abgrunds treiben würden.

Es ist höchste Zeit, auf den Weg des Dialogs und der Verhandlungen zurückzukehren.

Wir müssen uns gemeinsam dieser Herausforderung stellen, um Frieden herbeizuführen und die Menschen in der Ukraine und darüber hinaus vor der Geißel des Krieges zu bewahren.

Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass diese Krise ohne weiteres Blutvergießen beigelegt wird.

Ich wiederhole, was ich bereits mehrfach gesagt habe: Meine guten Dienste stehen zur Verfügung – und wir werden bei der Suche nach einer friedlichen Lösung nicht nachlassen.

Die Vereinten Nationen und das gesamte internationale System werden auf die Probe gestellt. Diese Probe müssen wir bestehen.

Ich danke Ihnen.

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