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UNIS/SGSM/1227
5. April 2022
Frau Präsidentin, Exzellenzen,
der Krieg in der Ukraine ist eine der größten Herausforderungen, die sich der internationalen Ordnung und der globalen Friedensarchitektur, die auf der Charta der Vereinten Nationen beruhen, jemals gestellt haben. Der Grund dafür sind der Charakter, die Intensität und die Folgen dieses Krieges.
Wir haben es hier mit einer groß angelegten und an mehreren Fronten geführten Invasion zu tun, bei der ein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen – die Russische Föderation, ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats – unter Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und mit mehreren Zielen in einen anderen Mitgliedstaat – die Ukraine – eingefallen ist, unter anderem zu dem Zweck, die international anerkannten Grenzen zwischen den beiden Ländern neu zu ziehen.
Der Krieg hat zu sinnlosen Verlusten an Menschenleben, zu massiven Verwüstungen in städtischen Zentren und zur Zerstörung ziviler Infrastruktur geführt.
Ich werde die schrecklichen Bilder der in Bucha getöteten Zivilpersonen nie vergessen.
Ich habe sofort zu einer unabhängigen Untersuchung aufgerufen, die gewährleisten soll, dass die Verantwortlichen wirksam zur Rechenschaft gezogen werden.
Auch die jetzt an die Öffentlichkeit gelangenden Berichte von Betroffenen über Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt haben mich zutiefst schockiert.
Die Hohe Kommissarin für Menschenrechte spricht von möglichen Kriegsverbrechen, schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts und schweren Verstößen gegen die internationalen Menschenrechtsnormen.
Mit der Vertreibung von mehr als zehn Millionen Menschen in nur einem Monat hat dieser Krieg die schnellste Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg verursacht.
Weit über die Grenzen der Ukraine hinaus hat der Krieg zu einem massiven Anstieg der Preise für Nahrungsmittel, Energie und Düngemittel geführt, denn Russland und die Ukraine sind tragende Säulen dieser Märkte.
Der Krieg hat Versorgungsketten unterbrochen und Transportkosten in die Höhe getrieben, was die Entwicklungsländer noch stärker unter Druck setzt.
Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie von Liquiditätsengpässen und unverminderter Schuldenlast – die letztlich auf die unserem globalen Wirtschafts- und Finanzsystem immanente Ungerechtigkeit zurückgehen – stehen viele Entwicklungsländer ohnehin schon am Rande des Zusammenbruchs.
Aus all diesen Gründen wird es von Tag zu Tag dringender, die Waffen zum Schweigen zu bringen.
Ich habe daher den Nothilfekoordinator, Martin Griffiths, gebeten, sich nach Russland und in die Ukraine zu begeben, um auf eine sofortige humanitäre Waffenruhe zu drängen.
Untergeneralsekretär Griffiths wird Sie über die humanitäre Lage und die Ergebnisse seiner bisherigen Begegnungen informieren.
Untergeneralsekretärin DiCarlo wird darüber hinaus auf die politischen Dimensionen eingehen.
Als Generalsekretär der Vereinten Nationen ist es aber meine Pflicht, die Aufmerksamkeit des Rates auf den schweren Schaden zu lenken, der der Weltwirtschaft und insbesondere verwundbaren Menschen und Entwicklungsländern zugefügt wird.
Unsere Analyse zeigt, dass 74 Entwicklungsländer mit einer Gesamtbevölkerung von 1,2 Milliarden Menschen ganz besonders durch steigende Nahrungsmittel-, Energie- und Düngemittelpreise gefährdet sind.
Der Schuldendienst zehrt etwa 16 Prozent der Exporterlöse der Entwicklungsländer auf. In den kleinen Inselentwicklungsländern liegt dieser Anteil bei 34 Prozent und dürfte weiter zunehmen, da die Zinsen gestiegen sind und Importe teuer bezahlt werden müssen.
Allein im letzten Monat ist der Preis von Weizen um 22 Prozent, von Mais um 21 Prozent und von Gerste um 31 Prozent gestiegen.
Der Preis für Brent-Rohöl lag am 1. April um mehr als 60 Prozent höher als vor einem Jahr. Nicht nur die derzeitige Lage, sondern eine Reihe von Ereignissen sind die Ursache dafür.
Der Preis von Erdgas und Düngemitteln hat sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt.
Schon jetzt hat die prekäre Lage einiger Länder Krisenausmaße angenommen und zeichnen sich schwere soziale Unruhen ab.
Die Flammen des Konflikts werden durch Ungleichheit, Entbehrung und Unterfinanzierung geschürt.
Alle Warnsignale stehen auf Rot und verpflichten uns zum Handeln.
Die von mir im vergangenen Monat eingesetzte Global Crisis Response Group (Globale Gruppe für die Bewältigung der Ernährungs-, Energie- und Finanzkrise) hat erste Empfehlungen formuliert, die den Mitgliedstaaten, internationalen Finanzinstitutionen und anderen Stellen zur Prüfung vorliegen.
Was Nahrungsmittel betrifft, so fordern wir alle Länder nachdrücklich auf, die Märkte offen zu halten, von ungerechtfertigten und unnötigen Ausfuhrbeschränkungen abzusehen und Ländern, denen Hungersnot droht, Reserven zur Verfügung zu stellen. Dies ist nicht der Zeitpunkt für Protektionismus.
Humanitäre Appelle müssen voll finanziert werden.
Menschen, die von Krisen auf der ganzen Welt betroffen sind, können den Preis für diesen Krieg unmöglich bezahlen.
Was Energie betrifft, so könnte die Nutzung strategischer Bestände und zusätzlicher Reserven die Energiekrise kurzfristig lindern helfen.
Die einzige mittel- und langfristige Lösung besteht jedoch darin, erneuerbare Energien, die nicht von Marktschwankungen betroffen sind, rascher zum Einsatz zu bringen.
Dies wird den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle und allen anderen fossilen Brennstoffen ermöglichen.
Erneuerbare Energien sind schon jetzt meist billiger.
Was Finanzen betrifft, so müssen die internationalen Finanzinstitutionen in den Notfallmodus umschalten.
Die G20 und die internationalen Finanzinstitutionen müssen dringend handeln, um Liquidität und Haushaltsspielräume zu erhöhen, damit die Regierungen Sicherheitsnetze für die Ärmsten und Schwächsten bereitstellen können.
Die von mir geforderte Reform des globalen Finanzsystems ist längst überfällig.
Alle diese Maßnahmen sind eng mit der Präventionsagenda und der Schaffung und Aufrechterhaltung des Friedens verknüpft.
Frau Präsidentin, der Krieg in der Ukraine muss aufhören, und zwar sofort.
Wir brauchen ernsthafte Friedensverhandlungen auf dem Fundament der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.
Dieser Rat hat den Auftrag, den Frieden zu wahren – und zwar in Solidarität.
Ich bedauere zutiefst die Spaltungen, die den Sicherheitsrat daran hindern, nicht nur im Fall der Ukraine, sondern auch bei anderen Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu handeln.
Ich lege dem Rat eindringlich nahe, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um den Krieg zu beenden und seine Auswirkungen sowohl auf die leidende Bevölkerung der Ukraine als auch auf verwundbare Menschen und Entwicklungsländer weltweit zu mildern.
Ich danke Ihnen.
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