UNIS/INF/329
6. Juli 2009

Wirtschaftskrise gefährdet Erfolge bei der Bekämpfung von Hunger und Armut

UNO-Generalsekretär fordert reiche und arme Länder auf, mehr zu tun und Hilfszusagen einzuhalten

WIEN, 6. Juli (UNO-Informationsdienst) - Die weltweite Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise hat Fortschritte beim Kampf gegen Armut und Hunger verlangsamt oder sogar umgekehrt. Mehr als die Hälfte der Zeit ist verstrichen, um die Millenniums-Entwicklungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen.

In dem heute von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon in Genf vorgestellten Millenniums-Entwicklungsbericht 2009 heißt es, dass es zwar viele Erfolge gäbe. Der Fortschritt sei allerdings bei den meisten Zielen insgesamt zu langsam, um sie bis 2015 zu erreichen.

"Wir müssen trotz des ungünstigen wirtschaftlichen Klimas die im Jahr 2000 gegebenen Versprechen einhalten", schreibt Ban Ki-moon im Vorwort des Berichts. "Die internationale Gemeinschaft darf die Armen und Schwachen nicht alleine lassen. Es ist höchste Zeit, um mehr für die Millenniums-Entwicklungsziele zu tun. Mit starkem politischen Willen und ausreichenden finanziellen Mitteln bleiben die Ziele noch in Reichweite - auch in extrem armen Staaten."

Weltweit bietet sich ein sehr unterschiedliches Bild:

·          Erfolge bei der Bekämpfung des Hungers in den frühen neunziger Jahren - als der Anteil Hungernder von 20 Prozent (1990 bis 1992) auf 16 Prozent (2004 bis 2006) fiel - haben sich 2008 umgekehrt. Das liegt vor allem an den steigenden Nahrungsmittelpreisen. Obwohl die internationalen Preise für Nahrungsmittel in der zweiten Jahreshälfte 2008 gefallen sind, sind Lebensmittel für die meisten Menschen nicht günstiger geworden.

·          Zwischen 1990 und 2005 sank die Zahl der Menschen, die täglich mit weniger als 1,25 US-Dollar auskommen müssen von 1,8 Milliarden auf 1,4 Milliarden (vor Beginn der Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise). Große Fortschritte beim Kampf gegen extreme Armut sind nicht zu erwarten. Allerdings gibt es noch keine Daten, die die gesamten Auswirkungen der momentanen Krise belegen. Es wird geschätzt, dass im Jahr 2009 zwischen 55 und 90 Millionen Menschen zusätzlich in die extreme Armut getrieben werden.

·          Mehr als ein Viertel der Kinder in Entwicklungsländern sind untergewichtig. Der schwache Fortschritt bei der Kinderernährung zwischen 1990 und 2007 reicht nicht aus, um das Ziel bis 2015 zu erfüllen. Durch höhere Nahrungsmittelpreise und die Wirtschaftskrise wird die Lage noch ernster.

·          Die weltweite Arbeitslosenquote im Jahr 2009 könnte bei Männern zwischen 6,1 und 7,0 und bei Frauen zwischen 6,5 und 7,4 Prozent betragen. Viele Frauen bleiben in unsicheren und häufig unbezahlten Jobs gefangen. So kann keine Geschlechtergleichheit erreicht werden.

·          Dem Bericht zufolge gab es weltweite Fortschritte vor allem bei den stark sinkenden Armutsraten in Ostasien. In anderen Regionen gab es schwächere Fortschritte. Im südlichen Afrika lebten im Jahr 2005 insgesamt 100 Millionen mehr Menschen in extremer Armut als 15 Jahre zuvor. Die Armutsrate blieb gleich mit über 50 Prozent.

Der Millenniums-Entwicklungsbericht belegt auch, dass es Finanzierungslücken bei Programmen zur Verbesserung der Müttergesundheit gibt (5. Ziel). Bei diesem Ziel wurden die geringsten Fortschritte verzeichnet. Die meisten Entwicklungsländer haben von den Geberländern seit Mitte der neunziger Jahre weniger Geld für Familienplanung erhalten, obwohl der Erfolg solcher Programme für die Gesundheit von Müttern und Kindern eindeutig bewiesen ist.

Die Fähigkeit der Staaten, selbst Entwicklungsprogramme zu finanzieren, ist ebenfalls gefährdet. Die Exportumsätze der Entwicklungsländer sind in den letzten drei Monaten von 2008 gesunken, nachdem die Finanzkrise in reichen Ländern ihre Auswirkungen zeigte. Das Verhältnis von Schulden- zu Exportquote wird sich in den Entwicklungsländern wahrscheinlich weiter verschlechtern. Dies wird vor allem in den Ländern der Fall sein, die ihre Exportquote in den vergangenen Jahren steigern konnten.

Beim G8-Gipfel in Gleneagles 2005 und auf dem Weltgipfel der Generalversammlung im gleichen Jahr haben sich die Geberländer dazu verpflicht, ihre Entwicklungshilfe zu erhöhen. Ein Großteil der Verpflichtungen gilt immer noch. Allerdings verkleinert sich mit dem Schrumpfen der Weltwirtschaft auch der absolute Betrag dieser Verpflichtungen, deren Höhe sich prozentual am Nationaleinkommen orientiert. Für viele Entwicklungsländer würde dem Bericht zufolge ein Rückgang der Hilfshilfsleistungen nicht nur künftige Fortschritte verhindern, sondern auch einige der bereits erzielten Verbesserungen umkehren.

Wichtigste Fortschritte vor der Wirtschaftskrise

Im Bericht werden beachtenswerte Fortschritte vieler Länder und Regionen dargestellt, die sie vor dem radikalen Umbruch der Wirtschaft 2008 gemacht haben:

·          In Entwicklungsländern ist die Einschulungsrate für Grundschulen im Jahr 2007 auf 88 Prozent gestiegen, im Vergleich zu 83 Prozent im Jahr 2000.

·          Im südlichen Afrika und Süd-Asien ist die Einschulungsrate zwischen 2000 und 2007 um 15 beziehungsweise 11 Prozentpunkte angestiegen.

·          Die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren ist trotz des gleichzeitigen Bevölkerungswachstums weltweit von 12,6 Millionen auf etwa neun Millionen im Jahr 2007 stetig zurückgegangen. Obwohl die Kindersterblichkeit im südlichen Afrika weiterhin am höchsten ist, wurden auch dort bemerkenswerte Verbesserungen in zentralen Bereichen erzielt. Dazu gehört die Verteilung von Moskitonetzen für die Betten, um die Malariagefahr - eine der häufigsten Todesursache von Kindern - zu senken. Durch nachträgliche Impfungen konnte außerdem ein drastischer Fortschritt beim Kampf gegen die Masern erzielt werden.

·          Weltweit wurde 1996 der Höhepunkt bei der Zahl der Neuansteckungen mit HIV erreicht. Seitdem ist die Zahl auf 2,7 Millionen im Jahr 2007 gesunken. Die geschätzte Anzahl der AIDS-Toten scheint ihren Höhepunkt 2005 mit 2,2 Millionen Opfern erreicht zu haben. Seitdem ist die Zahl auf zwei Millionen im Jahr 2007 gesunken. Dies liegt teilweise an dem verbesserten Zugang zu antiretroviralen Medikamenten in ärmeren Ländern. Trotzdem wächst die Anzahl der Menschen auf der Welt, die mit HIV leben. Im Jahr 2007 gab es geschätzte 33 Millionen Infizierte. Das liegt vor allem daran, dass Menschen, die mit dem Virus infiziert sind, mittlerweile länger überleben.

Herausforderungen

Der Bericht fordert Regierungen und andere Akteure dazu auf, wieder mehr dafür zu tun, um produktive und angemessene Arbeit für alle zu schaffen, einschließlich für Frauen und junge Menschen. Es wird außerdem aufgezeigt, dass es immer noch extrem wenige Arbeitsmöglichkeiten für Frauen im nördlichen Afrika, im südlichen und westlichen Asien gibt.

Das Ziel, Geschlechterungleichheit in Grundschulen und weiterführenden Schulen bis 2005 zu beheben, wurde bereits verfehlt. In dem Bericht werden Regierungen aufgefordert, mehr dafür zu tun, damit alle Kinder, insbesondere in ländlichen Gegenden, zur Schule gehen können. Sie sollen außerdem dafür sorgen, dass Ungleichheit aufgrund von Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit behoben wird.

Um die Müttersterblichkeitsrate zu senken, muss der politische Wille insbesondere im südlichen Afrika und Asien stärker werden, heißt es im Bericht. Um das Entwicklungsziel zur sanitären Grundversorgung bis 2015 erreichen zu können, müssen 1,4 Milliarden Menschen so schnell wie möglich Zugang zu Toiletten oder Latrinen erhalten. Die Verbesserung der Situation in den Armenvierteln hält außerdem kaum mit dem rasanten Wachstum der Städte in Entwicklungsländern mit.

Der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, Sha Zukang, hat den Bericht als die momentan umfassendste weltweite Bewertung der Millenniums-Entwicklungsziele beschrieben. Er basiert auf Daten von über 20 Organisationen innerhalb und außerhalb des UNO-Systems. Dazu gehören die Weltbank sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

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Der Millenniums-Entwicklungsbericht 2009

Der Bericht und Unterlagen für die Presse werden am 6. Juli online abrufbar sein unter www.un.org/millenniumgoals

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