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UNIS/NAR/1071
22. Februar 2010
INCB warnt vor einem Anstieg der "Date-Rape-Drogen"
INCB-Jahresbericht setzt Schwerpunkte auf die Prävention des Drogenmissbrauchs, das zunehmende Problem des Missbrauchs von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und beunruhigende neue Trends bei der Drogenherstellung
WIEN, 24. Februar (UNO-Informationsdienst) - In seinem Jahresbericht, der heute in Wien vorgestellt wurde, warnt der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) vor einem Anstieg der sogenannten "Date-Rape-Drogen". Der INCB warnt auch eindringlich vor neuen psychoaktiven Substanzen, die leichter zugänglich sind und international weniger streng kontrolliert werden.
Das Phänomen "Date-Rape-Drogen" entwickelt sich rasch zu einem größeren Problem, da Sexualstraftäter versuchen, strengere Drogenkontrollen zu umgehen, indem sie Substanzen verwenden, die nicht der Kontrolle durch die internationalen Drogenübereinkommen unterliegen. Strengere staatliche Kontrollmaßnahmen in enger Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie haben sich als wirksam erwiesen, da der Missbrauch von Flunitrazepam inzwischen selten geworden ist. Dieses Benzodiazepin, das unter dem Markennamen Rohypnol verkauft wird, wurde in der Vergangenheit so verbreitet bei sexuellen Übergriffen missbraucht, dass es als "Date-Rape-Substanz" gilt. Der INCB fordert in seinem Bericht alle Staaten auf, die Resolution 52/8 der Suchtstoffkommission vom März 2009 so schnell wie möglich umzusetzen und die beunruhigende Zunahme des Missbrauchs von "Date-Rape-Drogen" genau im Auge zu behalten.
Prävention des Drogenmissbrauchs
Die Drogenprävention muss dringend in den Fokus der Gesellschaft rücken, erklärt heute der Internationale Suchtstoffkontrollrat in Wien und unterstreicht damit die Notwendigkeit verstärkter Maßnahmen und größerer Verantwortung. Maßnahmen zur Prävention und Reduktion von Suchtstoffmissbrauch in Bevölkerungsgruppen, die entweder keine Drogen konsumieren oder nicht ernsthaft mit Drogen zu tun haben - die so genannte Primärprävention - stehen im Mittelpunkt des ersten Kapitels des Jahresberichts.
"Ein Kernbereich der Nachfragesenkung ist die Drogenprävention. Die Primärprävention umfasst Maßnahmen zur Prävention und Reduktion von Suchtstoffmissbrauch in Bevölkerungsgruppen, die entweder keine Drogen konsumieren oder nicht ernsthaft mit Drogen zu tun haben," sagte die Präsidentin des INCB, Professor Sevil Atasoy. "Es gibt gute Gründe dafür, dass die Gesellschaft der Drogenprävention gezielte Aufmerksamkeit widmet. Selbst eine einzige Drogenerfahrung kann ernsthafte Folgen haben wie zum Beispiel unabsichtliche Verletzung, Überdosis oder Verhaftung."
Der Bericht fordert die Regierungen auf, der Primärprävention ihren Platz neben der Sekundärprävention wieder einzuräumen. Da staatliche Primärprävention allein nicht ausreichen wird, muss es eine Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen und anderen Partnern geben. INCB-Präsidentin Atasoy sagt: "Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft muss auf allen Ebenen stattfinden, lokal, national und international, um bestmöglichen Einsatz von knappen Ressourcen zu gewährleisten und die Verbreitung des Drogenmissbrauchs immer effektiver zu bekämpfen. Im Hinblick auf beschränkte Ressourcen sollten die Regierungen ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die Belange junger Menschen richten, die nicht oder nur gelegentlich Drogen konsumieren, als auch jener, die regelmäßig Drogen missbrauchen, so der Bericht.
Zunehmendes Problem des Missbrauchs von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln
Der Bericht zeigt auf, dass der Missbrauch von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu einem großen Problem in einigen Ländern geworden ist. In manchen Ländern missbrauchen diese Medikamente mehr Menschen als Heroin, Kokain und MDMA ("Ecstasy") zusammen. Aufsehen erregende Todesfälle von Prominenten haben 2009 die Gefahren des Missbrauchs von verschreibungspflichtigen Medikamenten ins Rampenlicht gerückt. Der Missbrauch dieser Drogen hat sich in den letzten Jahren weltweit verbreitet, und der INCB fordert größere Beachtung dieses "versteckten" Problems.
Der Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten muss dringend in Angriff genommen werden, um die Ausbreitung zu stoppen und weitere Todesfälle nicht nur unter Prominenten zu verhindern. In seinem Jahresbericht empfiehlt der INCB den Regierungen, entweder den Verkauf von international kontrollierten Substanzen durch Internetapotheken und Call-Center zu verbieten oder ihn genau zu kontrollieren, um die illegalen Versorgungskanäle trockenzulegen.
Kriminelle Netzwerke nutzen neue Verfahren, Routen und Substanzen für die Drogenherstellung
Durchorganisierte und mächtige kriminelle Netzwerke nutzen neue Verfahren, Routen und Substanzen, um Drogenproduktionsprozesse aufrecht zu erhalten, warnt der INCB. Konfrontiert mit strengeren Kontrollen von Chemikalien finden Drogenhändler neue Wege, um ihre illegalen Machenschaften zu verstärken, und es gelingt ihnen noch immer, über legale Handelswege die benötigten Chemikalien zu beschaffen.
Die Nachfrage nach Vorläufersubstanzen von Methamphetamin hat überall in Nord-, Mittel- und Südamerika ernsthafte Rückschläge hinnehmen müssen, da dort einige Staaten strenge Maßnahmen ergreifen, um ihre Länder aus den Klauen mächtiger krimineller Organisationen zu befreien. Wie der Bericht vermerkt, hängt die Macht dieser Netzwerke mit dem riesigen Vermögen zusammen, das durch illegale Drogenproduktion, besonders von Methamphetamin, generiert wird.
Der INCB unterstützt Staaten dabei, den Datenaustausch über Handel, Abzweigung und Beschlagnahmen effizient zu gestalten. Zusammen mit dem Online-System des INCB für Export-Ankündigungen haben Einsätze und Initiativen zur internationalen Zusammenarbeit zu einer wirksameren Überwachung von verdächtigen Transaktionen sowie zur Erkennung von Netzwerken und Tendenzen im Drogenhandel geführt. Verbesserter Austausch von Geheimdienstinformationen hat signifikante Ergebnisse im Kampf gegen die Abzweigung von Chemikalien gezeigt.
Hundert Jahre Drogenkontrolle, ein Meilenstein in der internationalen Zusammenarbeit
Das Jahr 2009 markierte ein Jahrhundert der multilateralen Bemühungen um Drogenkontrolle, die mit dem Zusammentreten der Internationale Opiumkommission in Shanghai im Februar 1909 begannen. Die internationale Drogenkontrolle hat sich über die vergangenen hundert Jahre wesentlich weiterentwickelt. Eine Reihe von multilateralen Abkommen zur Drogenkontrolle wurde beschlossen und führte zur Annahme von drei internationalen Drogenkontrollvertragswerken, die heute den Rahmen für Aktionen in der internationalen Drogenkontrolle bilden. Um den Erfolgen der internationalen Drogenkontrolle Anerkennung zu zollen, ist ein besonderer Abschnitt des INCB-Jahresberichts den Feierlichkeiten gewidmet, die am 26. und 27. Februar 2009 in Shanghai, China, stattfanden und an das Zusammentreten der Internationalen Opiumkommission vor hundert Jahren erinnern sollten.
Bei dieser historischen Veranstaltung erinnerte Professor Hamid Ghodse, der damalige Präsident des INCB, an den Geist der ursprünglichen Shanghaier Konferenz, die zu einer Zeit stattfand, als der Opiumhandel äußerst lukrativ war und Millionen von Dollar an Einnahmen brachte. Die Herausforderungen, mit denen die internationale Gemeinschaft heute konfrontiert ist, wie etwa die ungenügende Verwendung von Betäubungsmitteln für medizinische Zwecke, seien bedeutend, sagte Professor Ghodse und fügte hinzu: "Die Staaten und die internationale Gemeinschaft müssen einen Weg finden, um diese zu bewältigen, unter Berücksichtigung der Prinzipien der gemeinsamen Verantwortung, der Souveränität der Staaten und ihrer territorialen Integrität, sowie der Notwenigkeit, sich dem weltweiten Drogenproblem auf ausgewogene und umfassende Weise zu widmen."
Regionale Schwerpunkte
Der Bericht weist auf die wichtigsten Entwicklungen beim Drogenmissbrauch und -handel auf der ganzen Welt, Region für Region, hin. Nach Jahren wachsenden Kokainhandels von Südamerika über Westafrika nach Europa und in kleinerem Ausmaß nach Nordamerika ist seit 2008 ein Rückgang bei Kokainbeschlagnahmen zu vermelden; 2009 gab es keine größere Beschlagnahme. Der Schmuggel bleibt aber nach wie vor ein ernsthaftes Problem, das zum steigenden Drogenmissbrauch in Westafrika beiträgt.
Der Drogenhandel ist zu einer großen Bedrohung für die Sicherheit in Mittelamerika und in der Karibik geworden und beeinflusst den wachsenden Drogenmissbrauch sowie die steigende Zahl der Kapitalverbrechen in Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen. Während Maßnahmen der mexikanischen Regierung, darunter der Einsatz von Militär, zu einer Unterbrechung des Drogenhandels in Nordamerika geführt haben, haben kriminelle Gruppen ihre Kontrolle über den Drogenhandel auf dem Kontinent erweitertet. Mexikanische Drogenkartelle haben ihre beherrschende Stellung über die gesamte Versorgungskette mit illegalen Drogen ausgedehnt, vom Transport von Südamerika bis zur Verteilung in den Vereinigten Staaten. In Südamerika nahm die potenzielle Kokainproduktion der Region ab und entspricht der niedrigsten Erzeugungsmenge seit 2003 aufgrund eines beträchtlichen Rückgangs in Kolumbien.
Nachdem in der Vergangenheit in Ost- und Südostasien ernorme Fortschritte erzielt wurden, waren die Länder in der Region im Jahr 2008 mit Rückschlägen bei der Einschränkung des illegalen Schlafmohnanbaus konfrontiert. Auch der Handel mit Methamphetamin und die illegale Herstellung von MDMA ("Ecstasy") stiegen an. Beschlagnahmen von amphetaminähnlichen Stimulanzien zeigen, dass der Handel mit diesen Substanzen in Südasien ansteigen könnte. Indien hat sich zu einer der Hauptquellen von Drogen entwickelt, die über illegale Online-Versandapotheken verkauft werden. Bestellungen aus dem Ausland werden den Käufern auf dem Kurier- und Postweg zugestellt, ein inzwischen übliches Verfahren zum Schmuggeln von Drogen ins Ausland. Nach einem Höhepunkt im Jahr 2007 nahmen in Westasien der illegale Schlafmohnanbau und die illegale Produktion von Opium 2008 und 2009 ab.
Ein Rückgang beim Cannabis- und Kokainmissbrauch wurde im Vereinigten Königreich und in Spanien beobachtet. Der Kokainmissbrauch ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz stabil oder abnehmend, dagegen steigt er in Frankreich und Irland. Ebenso ist der Missbrauch von Amphetaminen und MDMA ("Ecstasy") in Europa stabil oder rückläufig. In Dänemark, Spanien und in beschränktem Maße im Vereinigten Königreich ersetzen Drogenkonsumenten diese Drogen durch Kokain. Europa ist weiterhin der größte Markt für Cannabisharz. Spanien hat den größten Anteil an den weltweiten Beschlagnahmen dieser Substanz.
In Australien ist die Nachfrage nach MDMA ("Ecstasy") in den letzten Jahren gestiegen. Der Schmuggel von pseudoephedrinhaltigen Präparaten nach Neuseeland ist beträchtlich gestiegen. Trotz engerer regionaler Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Drogenproblemen macht sowohl die Tatsache, dass nur wenige ozeanische Länder die internationalen Drogenabkommen unterzeichnet haben, als auch ihre geographische Nähe zu den südostasiatischen Drogenproduktionsgebieten die Region für den Drogenhandel anfälliger.
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