Zur Information - kein offizielles Dokument 

UNIS/NAR/1311
2. März 2017

INCB-Bericht fordert Drogenpolitik, die Frauen mehr berücksichtigt, weil Überdosen bei Frauen überproportional ansteigen

Der Internationale Suchtstoffkontrollrat stellt heute seinen Jahresbericht 2016 vor. Darin fordert er

WIEN, 2. März (UNO-Informationsdienst) - In einer Zeit, in der Länder über einen überproportionalen Anstieg bei Suchtgiftüberdosierungen unter Frauen berichten, ruft der in Wien ansässige Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) in seinem Jahresbericht 2016 Regierungen auf, Frauen stärker in ihrer Drogenpolitik und Drogenprogrammen zu berücksichtigen.

Der Rat betont in seinem heute veröffentlichten Bericht, dass Regierungen dem Zugang zur Gesundheitsversorgung für drogenabhängige Frauen Vorrang einräumen sollten, und fordert bessere Koordinierung und mehr Finanzmittel für die Prävention und die Behandlung des Drogenmissbrauchs unter Frauen.

INCB-Präsident Werner Sipp sagte: "Wir wollen, dass sich die Sichtweisen ändern und wollen Menschen, insbesondere Politiker, daran erinnern, wie wichtig es ist, die Rechte der Frauen, die Drogen konsumieren oder Drogendelikte begangen haben, sowie die Rechte ihrer Familien zu schützen."

Frauen und Mädchen machen ein Drittel der Drogenkonsumenten weltweit aus, wobei das Ausmaß des Drogenkonsums bei Frauen in einkommensstärkeren Ländern höher ist. Trotzdem stellen Frauen nur ein Fünftel aller Menschen, die eine Behandlung bekommen, da signifikante systembegründete, strukturelle, soziale, kulturelle und persönliche Barrieren den Zugang von Frauen zu Behandlungen bei Substanzmissbrauch behindern.

Im Vergleich zu Männern werden Frauen häufiger Suchtstoffe und Beruhigungsmittel verschrieben, die demzufolge auch mehr missbraucht werden. Deutschland und Serbien haben zum Beispiel berichtet, dass bei Frauen tödliche Überdosen durch verschriebene Substanzen häufiger vorkommen. Zusätzlich verzeichnen Länder (z.B. das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland) bei Frauen generell bei allen Suchtstoffen einen größeren Anstieg von Überdosen als unter Männern.

Zahl der festgenommenen Frauen aufgrund von Drogendelikten ist signifikant gestiegen

Weibliche Gefangene und Sexarbeiterinnen sind hinsichtlich des Drogenmissbrauchs besonders gefährdet. Es gab einen signifikanten Anstieg bei der Zahl der aufgrund von Drogendelikten festgenommenen Frauen. Bei Inhaftierten kommt Drogenmissbrauch unter Frauen häufiger vor als unter Männern. Es gibt auch eine enge Verbindung zwischen Sexarbeit und Drogenmissbrauch: Manche Frauen finanzieren ihre Drogenabhängigkeit mit Sexarbeit, während Sexarbeiterinnen mitunter Drogen konsumieren, um mit ihrer Art von Arbeit besser fertig zu werden.

HIV-Infektionen und psychische Störungen sind unter Frauen mit Drogenmissbrauch weiter verbreitet. Besonders für weibliche Gefangene hat die Trennung von ihrer Familie und ihrer sozialen Umgebung nachteilige Auswirkungen und erhöht das Risiko für Depressionen und Angststörungen.

Der Bericht unterstreicht auch die Wichtigkeit von gezielten Präventionsprogrammen für Gefangene, Schwangere, Menschen mit HIV/AIDS und Sexarbeiterinnen. INCB fordert die Mitgliedstaaten auf, Daten zu sammeln und auszutauschen, um ein besseres Verständnis für spezielle Bedürfnisse von Frauen mit Drogenmissbrauch zu erreichen und um Prävention, Behandlung und Rehabilitation zu verbessern.

Alternativen zu Inhaftierungen für Drogendelikte werden zu wenig genutzt

Obwohl die drei internationalen Drogenkontrollabkommen auf dem Prinzip der Ausgewogenheit, dem Grundsatz der Proportionalität und des Respekts für die Menschenrechte beruhen, bauen viele Staaten ihre Antwort auf drogenbezogene Delikte (einschließlich dem Besitz für persönlichen Gebrauch) hauptsächlich auf strafrechtliche Maßnahmen, einschließlich Strafverfolgung und Inhaftierung. Mögliche alternative Maßnahmen - wie Behandlung, Rehabilitation und soziale Integration - werden zu wenig genutzt.

Der INCB betont, dass die Drogenabkommen für Menschen, die Drogen konsumieren oder kleinere Drogendelikte begehen, keine Inhaftierung zwingend verlangen.

Der Rat ermutigt Staaten, die hohe Raten an Verhaftungen und Haftstrafen für kleinere Drogendelikte verzeichnen, eher nicht-strafrechtliche Sanktionen und Maßnahmen anzuwenden, anstatt den Weg der Legalisierung zu wählen, der kontraproduktiv sein kann und mit den Drogenkontrollabkommen nicht konform geht. Der INCB begrüßt die gewandelte Sicht vieler Staaten, den Drogenkonsum und die Abhängigkeit als Gesundheitsproblem zu erkennen, das eine gesundheitsbezogene Antwort erfordert.

INCB fordert Staaten auf, die Todesstrafe für Drogendelikte abzuschaffen

Obwohl es den Staaten überlassen bleibt, Sanktionen für Drogenvergehen festzulegen, ermutigt der Rat diejenigen Staaten, die an der Todesstrafe festhalten, die Abschaffung der Todesstrafe für Drogendelikte in Betracht zu ziehen.

Aussergerichtliche Verfolgung von Menschen bei Verdacht auf illegale drogenbezogene Handlungen

Der Rat wiederholt mit allem Nachdruck seine kategorische und unmissverständliche Verurteilung der außergerichtlichen Verfolgung von Menschen, die verdächtigt werden, illegale drogenbezogene Handlungen begangen zu haben.

Solche Verfolgungen stellen eine klare Verletzung der drei internationalen Suchtstoffabkommen dar, die für drogenbezogene Delikte strafrechtliche Antworten verlangen und jedwede außer-justizielle Sanktion verbieten. Diese Verfolgungen sind eine ernste Menschenrechtsverletzung und verstoßen gegen die Regeln für rechtsstaatliche Verfahren, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte enthalten sind, ; sie sind ein Affront gegenüber den grundlegenden Normen der Menschenwürde.

Der Rat fordert alle betroffenen Regierungen auf, solchen Handlungen sofortigen Einhalt zu gebieten und jede Person zu verfolgen, die im Verdacht steht, solche außergerichtliche Handlungen begangen, daran teilgenommen oder dazu ermutigt oder aufgehetzt zu haben.

Legalisierung von Cannabis für nicht-medizinische Zwecke ist unvereinbar mit internationalen gesetzlichen Verpflichtungen

Der Rat steht im Dialog mit Staaten, die den Gebrauch von Cannabis für nicht-medizinische Zwecke sowie die Schaffung eines Marktes für Cannabis-Produkte für nicht-medizinische Verwendung erlauben oder dies planen. Der INCB unterstreicht, dass solche Maßnahmen unvereinbar mit den gesetzlichen Verpflichtungen sind, die im Einheits-Übereinkommen von 1961 festgelegt sind.

Obgleich die Übereinkommen eine gewisse Flexibilität bei ihrer Umsetzung bieten, sagt der INCB-Präsident: "Flexibilität hat ihre Grenzen; sie reicht nicht bis zur Regelung des nicht-medizinischen Gebrauchs von Suchtstoffen." Vertragsstaaten müssen sehen, wie sie auf die Entwicklungen in jenen Ländern reagieren, die die Abkommen missachten, indem sie den nicht-medizinischen Gebrauch von Suchstoffen erlauben und regulieren.

Drogenkonsumräume

Damit "Drogenkonsumräume" mit den Übereinkommen vereinbar sind, müssen sie darauf abzielen, die negativen Konsequenzen von Drogenmissbrauch effizient zu reduzieren und zu Behandlung und Rehabilitation führen, ohne Drogenmissbrauch und Drogenhandel zu fördern oder dazu zu ermutigen.

INCB fordert nachhaltige Unterstützung für Afghanistan

Aufgrund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan und den damit verbundenen Schwierigkeiten für die Behörden, das illegale Drogenangebot aus dem Land zu überwachen und zu kontrollieren, hat der Rat Partnerregierungen und die internationale Gemeinschaft aufgefordert, die Unterstützung für die Bemühungen zur Drogenkontrolle in diesem Land aufrechtzuerhalten, im Sinne der gemeinsamen und geteilten Verantwortung im Kampf gegen das weltweite Drogenproblem. Der Rat hat betont, dass Maßnahmen zur Drogenbekämpfung unerlässlich sind, wenn eine nachhaltige Entwicklung erreicht werden soll.

***

Weitere Informationen unter: http://www.unis.unvienna.org/unis/en/events/2017/incb_2017.html

* *** *

Für zusätzliche Informationen kontaktieren Sie bitte:

Katharina Goetze
Associate Public Information Officer, UNIS Vienna
Tel.: (+43-1) 26060-4949
Mobil: (+43-699) 1458-4949
Email: katharina.goetze[at]unvienna.org