Informationen zu den COVID-19 Massnahmen im Vienna International Centre (in englischer Sprache) finden Sie hier >>
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie ist viel von globaler Solidarität die Rede. Worte allein werden jedoch weder die Pandemie beenden noch die Folgen der Klimakrise eindämmen. Es ist an der Zeit, Solidarität in der Praxis unter Beweis zu stellen. Bei ihrem Treffen in Venedig sehen sich die Finanzministerinnen und -minister der G20 in dreifacher Weise gefordert, Solidarität zu zeigen, nämlich im Hinblick auf Impfstoffe, einen wirtschaftlichen Rettungsanker für die Entwicklungsländer und den Klimaschutz.
Impfstoffe sind der erste Solidaritätstest. Ein globales Impfdefizit gefährdet uns alle, denn solange COVID-19 unter den nicht Geimpften grassiert, mutiert das Virus weiter und entwickelt Varianten, die ansteckender, tödlicher oder beides zugleich sein können. Wir befinden uns mitten in einem Wettlauf zwischen Impfstoffen und Varianten. Gewinnen die Varianten, könnte die Pandemie Millionen weiterer Opfer fordern und eine globale wirtschaftliche Erholung um Jahre verzögern.
In einigen entwickelten Ländern sind bereits 70 Prozent der Bevölkerung geimpft, wohingegen der Anteil in Ländern mit niedrigem Einkommen weniger als 1 Prozent beträgt. Solidarität heißt, den Zugang zu Impfstoffen für alle zu gewährleisten – und zwar schnell.
Sowohl Impfstoffe als auch Finanzmittel sind hochwillkommen. Aber reden wir Klartext. Eine Milliarde Dosen reichen nicht aus. Wir brauchen mindestens elf Milliarden, um 70 Prozent der Weltbevölkerung zu impfen und die Pandemie zu beenden. Spenden und gute Absichten werden uns nicht weiterbringen. Was wir brauchen, sind die größten jemals unternommenen Anstrengungen im Bereich der globalen öffentlichen Gesundheit.
Die G20 muss mit Unterstützung der wichtigsten Herstellerländer und der internationalen Finanzinstitutionen einen globalen Impfplan auf den Weg bringen, über den alle Menschen weltweit so schnell wie möglich erreicht werden.
Der zweite Solidaritätstest besteht darin, Ländern, die am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehen, einen wirtschaftlichen Rettungsanker zu bieten.
Während die reichen Länder das Äquivalent von 28 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Überwindung der COVID-19-Krise gesteckt haben, waren es in den Ländern mit mittlerem Einkommen nur 6,5 Prozent und in den am wenigsten entwickelten Ländern nicht einmal 2 Prozent.
Viele Entwicklungsländer stehen in dieser Zeit angespannter Staatshaushalte und eingeschränkter Steuereinnahmen vor erdrückenden Schuldendienstkosten.
Durch die Pandemie dürfte die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen weltweit um etwa 120 Millionen steigen. Mehr als drei Viertel dieser „neuen Armen“ leben in Ländern mit mittlerem Einkommen.
Diese Länder brauchen Hilfe, um eine Finanzkatastrophe zu vermeiden und in einen starken Wiederaufschwung zu investieren.
Der Internationale Währungsfonds ist mit einer Zuteilung von 650 Milliarden Dollar an Sonderziehungsrechten eingeschritten. Diese Sonderziehungsrechte sind der beste Weg, um die für liquiditätsschwache Volkswirtschaften verfügbaren Mittel zu erhöhen. Reichere Länder sollten ihre ungenutzten Sonderziehungsrechte an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen übertragen. Dies wäre wahre Solidarität.
Ich begrüße die Schritte, die die G20 bereits unternommen hat, darunter die Initiative zur Aussetzung des Schuldendiensts und der Gemeinsame Rahmen für den Umgang mit Schulden. Diese Schritte reichen jedoch nicht aus. Alle Länder mit mittlerem Einkommen, die Schuldenerleichterungen benötigen, müssen diese auch erhalten. Und auch private Kreditgeber müssen mit ins Boot geholt werden.
Der dritte Solidaritätstest betrifft den Klimawandel. Die meisten großen Volkswirtschaften haben zugesagt, ihre Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts entsprechend dem 1,5-Grad-Ziel des Übereinkommens von Paris auf Netto-Null zu senken. Wenn die Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow zum Wendepunkt werden soll, bedarf es einer solchen Zusage von allen G20-Ländern sowie den Entwicklungsländern.
Letztere brauchen jedoch die Zusicherung, dass sie bei ihren Bestrebungen finanzielle und technische Unterstützung erhalten, darunter auch die jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung, die ihnen die entwickelten Länder vor mehr als einem Jahrzehnt versprochen hatten. Das ist nur gerecht, denn Entwicklungsländern von der Karibik bis zum Pazifik sind durch Treibhausgase, die über einhundert Jahre hinweg ohne ihre Mitwirkung ausgestoßen wurden, enorme Infrastrukturkosten entstanden.
Solidarität beginnt mit der Bereitstellung der zugesagten 100 Milliarden Dollar. Darüber hinaus sollten 50 Prozent der gesamten Klimafinanzierung in Anpassungsmaßnahmen investiert werden, darunter in widerstandsfähige Häuser, Hochstraßen und effiziente Frühwarnsysteme, die Stürmen, Dürren und anderen extremen Wetterereignissen standhalten können.
Alle Länder haben während der Pandemie gelitten. Nationalistische Ansätze in Bezug auf globale öffentliche Güter wie Impfstoffe, Nachhaltigkeit und Klimaschutz führen jedoch in den Ruin.
Doch die G20 kann uns den Weg aus der Krise bahnen. Die nächsten sechs Monate werden zeigen, ob die globale Solidarität sich in Worten erschöpft oder in konstruktives Handeln mündet. Wenn die führenden Köpfe der G20 diese drei kritischen Tests mit politischem Willen und verantwortlicher Führungsstärke meistern, können sie die Pandemie beenden, die Grundlagen der Weltwirtschaft stärken und die Klimakatastrophe verhindern.
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Der Autor ist Generalsekretär der Vereinten Nationen
Eine Version des Artikels wurde in Wiener Zeitung am 9. Juli 2021 veröffentlicht.
Von der Ausübung globaler Macht bis hin zu Rassismus, Geschlechterdiskriminierung und Einkommensunterschieden - Ungleichheit bedroht unser Wohlergehen und unsere Zukunft. Wir brauchen dringend ein neues Denken, um sie zu stoppen und zu verändern.
Wir hören oft, dass Wirtschaftswachstum allen zugutekommt. Aber tatsächlich sorgt wachsende Ungleichheit dafür, dass alle leiden. Ein hohes Maß an Ungleichheit hat dazu beigetragen, die globale Zerbrechlichkeit zu schaffen, die durch COVID-19 aufgedeckt und ausgenutzt wird.
Das Virus wirft ein Schlaglicht auf Ungleichheiten aller Art. Es stellt die größte Gefahr für die Gesundheit der Schwächsten dar, und seine sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen richten sich auf diejenigen, die am wenigsten in der Lage sind, damit umzugehen. Wenn wir jetzt nicht handeln, könnten weitere 100 Millionen Menschen in extreme Armut gedrängt werden, und wir könnten Hungersnöte von historischen Ausmaßen erleben.
Schon vor COVID-19 haben Menschen überall ihre Stimme gegen Ungleichheit erhoben. Zwischen 1980 und 2016 erhielten die reichsten 1% der Welt 27% des gesamten kumulativen Einkommenswachstums. Doch das Einkommen ist nicht der einzige Maßstab für Ungleichheit. Die Lebenschancen der Menschen hängen von ihrem Geschlecht, ihrem familiären und ethnischen Hintergrund, ihrer Abstammung, ob sie eine Behinderung haben oder nicht, und anderen Faktoren ab. Vielfältige Ungleichheiten überschneiden und verstärken sich über die Generationen hinweg und bestimmen das Leben und die Erwartungen von Millionen von Menschen, noch bevor sie überhaupt geboren sind.
Nur ein Beispiel: Mehr als 50 Prozent der 20-jährigen in Ländern mit sehr hoher menschlicher Entwicklung befinden sich in der Hochschulbildung. In Ländern mit niedriger menschlicher Entwicklung sind es drei Prozent. Noch schockierender ist, dass etwa 17 Prozent der Kinder, die vor 20 Jahren in diesen Ländern geboren wurden, bereits gestorben sind.
Die Wut, die die jüngsten sozialen Bewegungen anheizt - von der Antirassismus-Kampagne, die sich nach dem Tod von George Floyd weltweit verbreitet hat, bis hin zu den Stimmen mutiger Frauen, die die Männer benennen, die sie missbraucht haben - ist ein weiteres Zeichen der völligen Desillusionierung über den Status quo. Und die beiden seismischen Verschiebungen unseres Zeitalters - die digitale Revolution und die Klimakrise - drohen, Ungleichheit und Ungerechtigkeit noch stärker zu verfestigen.
COVID-19 ist eine menschliche Tragödie. Aber es hat auch eine generationenübergreifende Chance für den Aufbau einer gerechteren und nachhaltigeren Welt geschaffen, die auf zwei zentralen Ideen beruht: einem neuen Gesellschaftsvertrag und einer neuen globalen Übereinkunft.
Ein neuer Gesellschaftsvertrag wird Regierungen, ihr Volk, die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft und andere in gemeinsamer Sache zusammenbringen.
Bildung und digitale Technologie müssen die zwei großen Wegbereiter und Gleichmacher sein, indem sie lebenslange Möglichkeiten bieten, zu lernen, wie man lernt, sich anzupassen und neue Fähigkeiten für die wissensbasierte Wirtschaft zu erlangen.
Wir brauchen eine gerechte Besteuerung von Einkommen und Vermögen und eine neue Politik zum sozialen Schutz mit Sicherheitsnetzen, einschließlich einer universellen Krankenversicherung und der Möglichkeit eines universellen Grundeinkommens, das für alle gilt.
Um diesen neuen Gesellschaftsvertrag möglich zu machen, brauchen wir eine neue globale Übereinkunft, um sicherzustellen, dass Macht, Reichtum und Chancen auf internationaler Ebene breiter und gerechter geteilt werden.
Eine neue globale Übereinkunft muss auf einer fairen Globalisierung basieren, auf den Rechten und der Würde jedes Menschen, auf einem Leben im Gleichgewicht mit der Natur, auf der Achtung der Rechte künftiger Generationen und auf Erfolg, der eher an menschlichen als an wirtschaftlichen Maßstäben gemessen wird.
Wir brauchen eine Weltordnungspolitik, die auf der vollen, integrativen und gleichberechtigten Teilnahme an globalen Institutionen beruht. Die Entwicklungsländer müssen eine stärkere Stimme haben, vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bis zu den Gremien des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank und darüber hinaus.
Wir brauchen ein inklusiveres und ausgewogeneres multilaterales Handelssystem, das es den Entwicklungsländern ermöglicht, in globalen Wertschöpfungsketten aufzusteigen.
Die Reform der Schuldenarchitektur und der Zugang zu erschwinglichen Krediten muss steuerlichen Spielraum schaffen, um Investitionen in die grüne, gerechte Wirtschaft zu generieren.
Die neue globale Übereinkunft und der neue Gesellschaftsvertrag werden die Welt wieder auf den richtigen Weg bringen, um das Versprechen des Pariser Abkommens über den Klimawandel einzulösen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen - unsere weltweit vereinbarte Vision von Frieden und Wohlstand für einen gesunden Planeten bis 2030.
Unsere Welt steht an einem Wendepunkt. Aber wenn wir die Ungleichheit auf der Grundlage eines neuen Gesellschaftsvertrags und einer neuen globalen Übereinkunft angehen, können wir unseren Weg zu besseren Tagen in der Zukunft finden.
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António Guterres ist Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Eine Version des Artikels wurde in Wiener Zeitung am 21.7.2020 veröffentlicht.
Von COVID-19 bis zur Störung des Klimas, von Rassenungerechtigkeit bis zu den zunehmenden Ungleichheiten - wir sind eine Welt in Aufruhr.
Gleichzeitig sind wir eine internationale Gemeinschaft mit einer dauerhaften Vision - verkörpert durch die Charta der Vereinten Nationen, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiert. Diese Vision einer besseren Zukunft - basierend auf den Werten der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts und der internationalen Zusammenarbeit - hat uns geholfen, einen Dritten Weltkrieg zu vermeiden, der katastrophale Folgen für das Leben auf unserem Planeten gehabt hätte.
Unsere gemeinsame Herausforderung besteht darin, diesen kollektiven Geist zu kanalisieren und uns diesem Moment der Prüfung und des Tests zu stellen.
Die Pandemie hat schwere und systemische Ungleichheiten sowohl innerhalb als auch zwischen Ländern und Gemeinschaften aufgedeckt. Im weiteren Sinne hat sie die Fragilität der Welt unterstrichen - nicht nur angesichts eines weiteren Gesundheitsnotstands, sondern auch in unserer stockenden Reaktion auf die Klimakrise, die Gesetzlosigkeit im Cyberspace und die Risiken der nuklearen Verbreitung. Überall verlieren die Menschen das Vertrauen in politische Einrichtungen und Institutionen.
Die Notlage wird durch viele andere tiefgreifende humanitäre Krisen verschärft: Konflikte, die andauern oder sich sogar noch verschärfen; eine Rekordzahl von Menschen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen; Heuschreckenschwärme in Afrika und Südasien; drohende Dürreperioden im südlichen Afrika und in Mittelamerika; all dies vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen.
Angesichts dieser Fragilität müssen die führenden Politiker der Welt bescheiden sein und die entscheidende Bedeutung von Einheit und Solidarität anerkennen.
Niemand kann vorhersagen, was als Nächstes kommt, aber ich sehe zwei mögliche Szenarien.
Erstens, die "optimistische" Möglichkeit.
In diesem Fall würde sich die Welt durchwursteln. Die Länder des globalen Nordens würden eine erfolgreiche Ausstiegsstrategie entwickeln. Die Entwicklungsländer würden genügend Unterstützung erhalten, und ihre demografischen Merkmale - nämlich die Jugend ihrer Bevölkerung - würden dazu beitragen, die Auswirkungen einzudämmen.
Und dann würde vielleicht in den nächsten neun Monaten oder so ein Impfstoff auftauchen und als globales öffentliches Gut verteilt werden, ein "Volksimpfstoff", der für alle verfügbar und zugänglich ist.
Wenn dies geschieht, und wenn die Wirtschaft allmählich anspringt, könnten wir in zwei oder drei Jahren zu einer Art Normalität übergehen.
Es gibt aber auch ein zweites, düstereres Szenario, in dem die Länder ihre Aktionen nicht koordinieren. Es gibt immer wieder neue Wellen des Virus. Die Situation in den Entwicklungsländern explodiert. Die Arbeit an dem Impfstoff hinkt hinterher - oder selbst wenn es relativ bald einen Impfstoff gibt - wird er Gegenstand eines harten Wettbewerbs, und Länder mit größerer Wirtschaftskraft erhalten zuerst Zugang dazu und lassen andere hinter sich.
In diesem Szenario könnten wir auch eine größere Bewegung in Richtung Fragmentierung, Populismus und Fremdenfeindlichkeit beobachten. Jedes Land könnte im Alleingang handeln, oder in sogenannten Koalitionen mit Willigen, die bereit sind, einige spezifische Herausforderungen anzugehen. Am Ende würde es der Welt nicht gelingen, die Art von Regierungsführung zu mobilisieren, die zur Bewältigung unserer gemeinsamen Herausforderungen erforderlich ist.
Das Ergebnis könnte durchaus eine globale Depression sein, die mindestens fünf oder sieben Jahre dauern könnte, bevor sich eine neue Normalität herausbildet, deren Art nicht vorhersehbar ist.
Es ist sehr schwierig zu wissen, ob wir uns in die eine oder die andere Richtung bewegen. Wir müssen für das Beste arbeiten und uns auf das Schlimmste vorbereiten.
Die Pandemie, so schrecklich sie auch ist, muss ein Weckruf sein, der alle politischen Führer zu der Einsicht veranlasst, dass sich unsere Annahmen und Ansätze ändern müssen und dass die Spaltung für alle eine Gefahr darstellt.
Dieses Verständnis könnte dazu führen, dass die Menschen erkennen, dass der einzige Weg zur Bewältigung globaler Fragilitäten über viel robustere Mechanismen der Global Governance mit internationaler Zusammenarbeit führt.
Schließlich können wir nicht einfach zu den Systemen zurückkehren, die die aktuelle Krise verursacht haben. Wir müssen mit nachhaltigeren, integrativeren, geschlechtergerechteren Gesellschaften und Volkswirtschaften wieder besser aufbauen.
Dabei müssen wir die Art und Weise, wie die Nationen zusammenarbeiten, neu überdenken. Dem heutigen Multilateralismus mangelt es an Umfang, Ehrgeiz und Zähnen - und einige der Instrumente, die Zähne haben, zeigen wenig oder gar keinen Appetit zum Beißen, wie wir an den Schwierigkeiten gesehen haben, mit denen der Sicherheitsrat zu kämpfen hat.
Wir brauchen einen vernetzten Multilateralismus, in dem die Vereinten Nationen und ihre Organisationen, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds, regionale Organisationen wie die Afrikanische Union und die Europäische Union, Handelsorganisationen und andere enger und effektiver zusammenarbeiten.
Wir brauchen auch einen umfassenderen Multilateralismus. Die Regierungen sind heute bei weitem nicht die einzigen politischen und machtpolitischen Akteure. Die Zivilgesellschaft, die Wirtschaft, lokale Behörden, Städte und Regionalregierungen übernehmen in der heutigen Welt immer mehr Führungsrollen.
Dies wiederum wird dazu beitragen, zu einem wirksamen Multilateralismus mit den Mechanismen zu führen, die er braucht, damit Global Governance dort funktioniert, wo sie gebraucht wird.
Ein neuer, vernetzter, integrativer, wirksamer Multilateralismus, der auf den bleibenden Werten der Charta der Vereinten Nationen basiert, könnte uns aus unserem schlafwandelnden Zustand herausreißen und das Abgleiten in immer größere Gefahren stoppen.
Die politischen Führer auf der ganzen Welt müssen diesem Weckruf Folge leisten und zusammenkommen, um die Fragilität der Welt anzugehen, unsere Fähigkeit zur globalen Regierungsführung zu stärken, den multilateralen Institutionen Zähne zu verleihen und aus der Kraft der Einheit und Solidarität zu schöpfen, um die größte Prüfung unserer Zeit zu überwinden.
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António Guterres ist Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Eine Version des Artikels wurde in Der Standard am 7.7.2020 veröffentlicht.
Ersten Anzeichen zufolge stellt das COVID-19 Virus ein größeres direktes Gesundheitsrisiko für Männer dar, insbesondere für ältere Männer. Die Pandemie legt jedoch Ungleichheiten jeglicher Art bloß und nützt diese aus - auch die Geschlechterungleichheit. So können die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit von Frauen, sowie ihre Rechte und Freiheiten, uns allen auf lange Sicht schaden.
Frauen leiden bereits unter den tödlichen Auswirkungen von "Lockdowns" und der Quarantäne. Diese Einschränkungen sind wichtig, aber sie erhöhen das Risiko von Gewalt gegen Frauen, gefangen mit gewalttätigen Partnern. In den letzten Wochen haben wir einen alarmierenden globalen Anstieg an häuslicher Gewalt verzeichnet: die größte Unterstützungsorganisation im Vereinigten Königreich berichtet einen 700-prozentigen Anstieg von Anrufen. Gleichzeitig erleiden Unterstützungseinrichtungen für Frauen Einschnitte und Schließungen.
Dies war der Hintergrund für meinen jüngsten Aufruf zu Frieden in unseren Häusern auf der ganzen Welt. Seither haben sich 143 Regierungen verpflichtet, Frauen und Mädchen, die während der Pandemie Gewalt ausgesetzt sind, zu unterstützen. Jedes Land kann eingreifen, indem Dienste online angeboten werden, Notunterkünfte bei häuslicher Gewalt erweitert und zur Verfügung gestellt werden, sowie Unterstützung für Organisationen an vorderster Front erhöht werden. Die Vereinten Nationen arbeiten in Partnerschaft mit der EU, der Spotlight Initiative und Regierungen in mehr als 25 Ländern an diesen und ähnlichen Maßnahmen und sind bereit, die Unterstützung zu erweitern.
Aber die Bedrohung der Rechte und Freiheiten von Frauen durch COVID-19 geht weit über physische Gewalt hinaus. Der tiefe Konjunktureinbruch, der mit der Pandemie einhergeht, hat wahrscheinlich ein deutlich weibliches Gesicht.
Die unfaire und ungleiche Behandlung berufstätiger Frauen ist ein Grund, warum ich in die Politik ging. Als ich in den späten 1960er Jahren als Student freiwillige Sozialarbeit in armen Gegenden von Lissabon leistete, sah ich Frauen in schwierigen Situationen niedrige Arbeiten verrichten und die Last der Großfamilien tragen. Ich wusste, das muss sich ändern - und ich habe wichtige Veränderungen zu meinen Lebzeiten gesehen.
Jahrzehnte später besteht durch COVID-19 die Gefahr, dass diese Bedingungen für Frauen auf der ganzen Welt zurückkehren und sich sogar verschlechtern werden.
Frauen sind unverhältnismäßig stark in schlecht bezahlten Jobs ohne Ansprüche vertreten - als Hausangestellte, Gelegenheitsarbeiterinnen, Straßenverkäuferinnen, und in kleinen Gewerben wie etwa Friseuren. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass fast 200 Millionen Jobs bereits in den nächsten drei Monaten verloren gehen werden - viele davon in genau diesen Bereichen.
Und gerade dann, wenn sie ihre bezahlten Anstellungen verlieren, werden viele Frauen mit einem enormen Anstieg von Fürsorgetätigkeiten konfrontiert, aufgrund von Schulschließungen, überlasteten Gesundheitssystemen und erhöhten Bedürfnissen von älteren Menschen.
Wir wollen nicht die Mädchen vergessen, deren Ausbildung verkürzt wird. In manchen Dörfern von Sierra Leone fiel die Schuleinschreibungsrate von jugendlichen Mädchen von 50 auf 34 Prozent nach der Ebola-Epidemie, mit lebenslangen Auswirkungen für ihr Wohlergehen und das ihrer Kommunen und Gesellschaften.
Auch viele Männer sehen sich Jobverlusten und gegensätzlichen Anforderungen ausgesetzt. Doch selbst zu den besten Zeiten verrichten Frauen dreimal so viele Hausarbeiten wie Männer. Das bedeutet, dass meistens sie die Kinder betreuen, wenn die Firmen wieder aufsperren, die Schulen jedoch geschlossen bleiben - wodurch sich ihre Rückkehr ins Berufsleben verzögert.
Verwurzelte Ungleichheiten bedeuten auch, dass obwohl Frauen 70 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen ausmachen, sie die Zahl der Männer in führenden Positionen erheblich übersteigt. Nur eine von zehn politischen Führungskräften weltweit ist eine Frau - was uns allen schadet. Wenn bei dieser Pandemie Entscheidungen getroffen werden, brauchen wir Frauen mit am Tisch, um Extremfall-Szenarien, wie eine zweite Zuspitzung von Infektionen, Arbeitskräftemangel und sogar soziale Unruhen zu verhindern.
Frauen in unsicheren Berufen brauchen dringend einen sozialen Mindestschutz, von der Krankenversicherung bis zu bezahltem Krankenstand, Kinderbetreuung, Einkommensschutz und Arbeitslosengeld. Vorausschauend müssen Maßnahmen für die Ankurbelung der Wirtschaft wie etwa Bargeldüberweisungen, Kredite, Darlehen und Rettungsschirme speziell auf Frauen ausgerichtet werden - egal ob sie Vollzeit in der formellen Wirtschaft, als Teilzeit-Saisonarbeiterinnen in der informellen Wirtschaft, oder als Unternehmerinnen und Geschäftsinhaberinnen tätig sind.
Die COVID-19-Pandemie hat deutlicher denn je gezeigt, dass unbezahlte Hausarbeit von Frauen sowohl die öffentlichen Dienstleistungen als auch die privaten Profite finanziell unterstützt. Diese Arbeit muss in ökonomische Messgrößen und Entscheidungsfindungen einbezogen werden. Wir alle werden von Arbeitsvereinbarungen profitieren, die Betreuungsaufgaben anerkennen, und von inklusiven Wirtschaftsmodellen, die die Arbeit zu Hause wertschätzen.
Diese Pandemie ist nicht nur eine Herausforderung für globale Gesundheitssysteme, sondern auch für unsere Verpflichtung für Gleichheit und Menschenwürde.
Wenn wir die Interessen und Rechte von Frauen ins Zentrum rücken, können wir diese Pandemie schneller überwinden und widerstandsfähigere Gemeinschaften und Gesellschaften mit mehr Chancengleichheit schaffen, von denen alle profitieren.
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António Guterres ist Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Eine Version des Artikels wurde in Wiener Zeitung am 11.05.2020 veröffentlicht.
Nur wenn wir zusammenstehen, kann die Welt der COVID-19 Pandemie und ihren erschütternden Auswirkungen begegnen. Bei einer virtuellen Krisensitzung letzten Donnerstag haben die G20-Führenden Schritte in die richtige Richtung gesetzt. Aber wir sind noch weit von einer koordinierten, artikulierten globalen Antwort entfernt, die diesem beispiellosen Ausmaß, dem wir uns gegenübersehen, entspricht.
Wir sind noch immer weit davon entfernt die Infektionskurve abzuflachen. Die Krankheit hat 67 Tage gebraucht, um 100.000 Menschen zu infizieren. Bald werden täglich 100.000 Menschen und mehr infiziert werden. Ohne gemeinsames und mutiges Vorgehen wird die Zahl der Neuinfektionen fast sicher in die Millionen gehen und die Gesundheitssysteme an die Grenze der Belastbarkeit zwingen. Wirtschaftssysteme werden weiter auf Talfahrt und Menschen zur Verzweiflung gebracht; die Ärmsten werden am härtesten getroffen.
Wir müssen uns auf das Schlimmste vorbereiten und alles tun, um dies zu vermeiden. Hier ein Drei-Punkte-Aufruf zum Handeln - basierend auf Wissenschaft, Solidarität und kluge Politik.
Erstens, die Übertragung des Coronavirus unterdrücken.
Das bedeutet offensive und frühe Tests und Verfolgung von Kontakten, unterstützt durch Kontakt- und Bewegungseinschränkungen, Quarantäne, Behandlungen und Maßnahmen zum Schutz der Ersthelfer. Solche Schritte müssen trotz der Beeinträchtigung aufrechterhalten werden bis es Therapien und einen Impfstoff gibt.
Es ist wichtig, dass diese starken und kooperativen Bemühungen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geleitet werden, einem der Mitglieder der UNO-Familie. Länder, die eigenmächtig handeln - wie sie es für ihre Bevölkerung machen müssen - werden es nicht für alle schaffen.
Zweitens, die katastrophalen sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen dieser Krise anpacken.
Das Virus verbreitet sich wie ein Lauffeuer, und wird sich wahrscheinlich schnell auf den globalen Süden ausbreiten, wo die Gesundheitssysteme eingeschränkt sind. Dort sind Menschen verwundbarer und Millionen leben in dicht besiedelten Slums oder in Unterkünften für Flüchtlinge und Vertriebene. Angefacht durch solche Bedingungen kann das Virus die Entwicklungsländer zerstören und dort wieder auftreten, wo es bereits verdrängt war. In unserer vernetzten Welt sind wir nur so stark, wie unser schwächstes Gesundheitssystem.
Zweifellos müssen wir das Virus für die ganze Menschheit bekämpfen, mit dem Fokus auf Menschen, insbesondere die am meisten Betroffenen: Frauen, ältere Menschen, Geringverdienende, kleine und mittlere Unternehmen, den informellen Sektor und gefährdete Gruppen.
Die Vereinten Nationen haben gerade Berichte herausgebracht, die dokumentieren, wie die virale Ansteckung zu einer wirtschaftlichen Ansteckung wurde und wie die notwendige Finanzierung zur Bekämpfung dieses Schocks ausgesetzt hat. Der Internationale Währungsfonds (IMF) hat erklärt, dass wir in eine Rezession geschlittert sind, so schlimm oder noch schlimmer als 2009.
Wir brauchen eine umfassende multilaterale Antwort, um einen zweistelligen Prozentsatz des globalen Bruttoinlandproduktes zu erreichen.
Industrieländer können es alleine schaffen und manche machen es auch. Aber wir müssen die Ressourcen, die für die Entwicklungsländer zur Verfügung stehen, massiv erhöhen, indem wir die Kapazität des IMF erweitern, nämlich durch die Ausgabe von Sonderziehungsrechten, und die der internationalen Finanzinstitutionen, damit sie schnell zusätzliche Mittel für jene Länder aufbringen, die diese brauchen. Ich weiß, dass es schwierig ist, da ja auch die Länder selber steigende Ausgaben in Rekordhöhe haben. Aber diese Ausgaben werden vergebens sein, wenn wir das Virus nicht kontrollieren.
Koordinierte Swapgeschäfte unter Zentralbanken können für aufstrebende Wirtschaften auch Liquidität bringen. Schuldenerleichterung muss Priorität haben - einschließlich sofortigem Verzicht auf Zinszahlungen für 2020.
Drittens, eine bessere Erholung
Wir können nicht einfach dahin zurückkehren, wo wir vor COVID-19 waren, mit Gesellschaften, die unnötigerweise anfällig für Krisen sind. Die Pandemie hat uns sehr stark den Preis deutlich gemacht, den wir für Schwächen in Gesundheitssystemen, beim sozialen Schutz und bei öffentlichen Dienstleistungen zahlen. Sie hat Ungleichheiten, vor allem Geschlechterungleichheit, unterstrichen und verschärft, und gezeigt, wie formelle Wirtschaften auf dem Rücken von unsichtbarer und unbezahlter Pflegearbeit unterstützt werden. Die Pandemie hat anhaltende Herausforderungen bei den Menschenrechten hervorgehoben, einschließlich Stigma und Gewalt gegen Frauen.
Jetzt ist die Zeit, um unsere Bemühungen für die Schaffung inklusiver und nachhaltiger Ökonomien und Gesellschaften zu verdoppeln, die gegen Pandemien, den Klimawandel und andere globale Herausforderungen resilienter sind. Die Erholung muss zu einer anderen Wirtschaft führen. Unser Plan bleibt die 2030 Agenda für die Ziele für nachhaltige Entwicklung.
Das System der Vereinten Nationen ist voll mobilisiert: Maßnahmen der Länder unterstützen, unsere Versorgungsketten der Welt zur Verfügung stellen, und uns für einen weltweiten Waffenstillstand einsetzen.
Die Pandemie überall zu beenden ist sowohl ein moralisches Gebot als auch im eigenen Interesse. In dieser ungewöhnlichen Zeit können wir nicht auf die üblichen Mittel zurückgreifen. Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen. Wir stehen einer kolossalen Bewährungsprobe gegenüber, die maßgebende, koordinierte und innovative Handlungen von uns allen, für alle, erfordert.
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António Guterres ist Generalsekretär der Vereinten Nationen.
April 2020
UNIS/SGSM/1007
15. April 2020
Wie ich bereits am 8. April sagte: "Die COVID-19-Pandemie ist eine der gefährlichsten Herausforderungen, denen diese Welt zu unseren Lebzeiten gegenübersteht. Sie ist vor allem eine menschliche Krise mit schwerwiegenden gesundheitlichen und sozioökonomischen Konsequenzen.
Die Weltgesundheitsorganisation, mit ihren Tausenden Mitarbeitern, steht an vorderster Front und unterstützt die Mitgliedstaaten und ihre Gesellschaften, besonders die schwächsten unter ihnen, mit Beratung, Training, Ausrüstung und konkreten lebensrettenden Diensten im Kampf gegen das Virus.
Meiner Überzeugung nach muss die Weltgesundheitsorganisation unterstützt werden, da es für die Bemühungen der Welt absolut wichtig ist, diesen Kampf gegen COVID-19 zu gewinnen.
Dieses Virus ist zu unseren Lebzeiten beispiellos und erfordert eine beispiellose Antwort. Offensichtlich ist es unter solchen Bedingungen möglich, dass die selben Fakten verschiedene Auslegungen bei verschiedenen Einheiten haben. Wenn sich bei dieser Epidemie das Blatt gewendet hat, muss eine Zeit kommen, um zurückzublicken und zu verstehen, wie diese Krankheit ausbrach und wie sie sich so schnell so verheerend über den Globus ausbreiten konnte, und wie alle, die darin involviert waren, auf diese Krise reagiert haben. Die daraus gezogenen Lehren werden wesentlich sein, um ähnlichen Herausforderungen in Zukunft effektiv zu begegnen.
Aber jetzt ist nicht die Zeit dafür."
Nachdem jetzt nicht die Zeit dafür ist, ist auch nicht die Zeit, um die Ressourcen für die Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation oder irgendeiner anderen humanitären Organisation im Kampf gegen das Virus zu verringern.
Wie ich bereits gesagt habe, ist jetzt die Zeit für Einheit und für die internationale Gemeinschaft in Solidarität zusammenzuarbeiten, um das Virus und seine erschütternden Konsequenzen zu stoppen.
UNIS/SGSM/1005
9. April 2020
Die COVID-19-Pandemie ist eine der gefährlichsten Herausforderungen, mit denen die Welt zu unseren Lebzeiten konfrontiert wurde. Es handelt sich vor allem um eine menschliche Krise mit schweren gesundheitlichen und sozioökonomischen Folgen.
Die Weltgesundheitsorganisation steht mit Tausenden von Mitarbeitern an vorderster Front und unterstützt die Mitgliedstaaten und ihre Bevölkerung, insbesondere die schwächsten unter ihnen, mit Beratung, Ausbildung, Ausrüstung und konkreten lebensrettenden Maßnahmen im Kampf gegen das Virus.
Ich habe den Mut und die Entschlossenheit der WHO-Mitarbeiter aus erster Hand erlebt, als ich im vergangenen Jahr die Demokratische Republik Kongo besuchte, wo WHO-Mitarbeiter unter prekären Bedingungen und an sehr gefährlichen entlegenen Orten im Kampf gegen das tödliche Ebola-Virus arbeiten. Es ist ein bemerkenswerter Erfolg für die WHO, dass seit Monaten keine neuen Fälle von Ebola registriert wurden.
Ich bin der Überzeugung, dass die Weltgesundheitsorganisation unterstützt werden muss, da sie für die Bemühungen der Welt, den Krieg gegen COVID-19 zu gewinnen, absolut unerlässlich ist.
Dieses Virus ist Zeit unseres Lebens von einmaliger Art und erfordert eine noch nie dagewesene Reaktion. Unter solchen Bedingungen ist es natürlich möglich, dass ein und derselbe Sachverhalt von verschiedenen Instanzen unterschiedlich interpretiert wird. Wenn wir endlich ein neues Kapitel zu dieser Epidemie aufgeschlagen haben, muss es eine Zeit des Rückblicks geben, um zu verstehen, wie eine solche Krankheit entstanden ist und ihre Verwüstung so schnell über den ganzen Globus verbreitet hat und wie alle Betroffenen auf die Krise reagiert haben. Die daraus gezogenen Erkenntnisse werden von wesentlicher Bedeutung sein, um ähnliche Herausforderungen, wie sie in der Zukunft auftreten können, wirksam anzugehen.
Aber jetzt ist nicht die Zeit dafür. Jetzt ist die Zeit der Einheit, der solidarischen Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft, um dieses Virus und seine erschütternden Folgen zu stoppen.
UNIS/SGSM/1000
23. März 2020
Unsere Welt begegnet einem gemeinsamen Feind: COVID-19.
Das Virus kümmert sich nicht um Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Partei oder Glauben. Es greift alle unerbittlich an.
Währenddessen wütet der bewaffnete Konflikt auf der ganzen Welt.
Die Schwächsten - Frauen und Kinder, Menschen mit Behinderungen, Randgruppen und Vertriebene - zahlen den höchsten Preis.
Sie sind auch am stärksten gefährdet verheerende Verluste durch COVID-19 zu erleiden.
Wir dürfen nicht vergessen, dass in den vom Krieg verwüsteten Ländern die Gesundheitssysteme zusammengebrochen sind.
Die ohnehin schon wenigen Gesundheitsfachkräfte werden oft zur Zielscheibe.
Flüchtlinge und andere durch gewaltsame Konflikte vertriebene Personen sind doppelt gefährdet.
Die Wut des Virus veranschaulicht die Torheit des Krieges.
Deshalb rufe ich heute zu einem sofortigen globalen Waffenstillstand in allen Teilen der Welt auf.
Es ist an der Zeit bewaffnete Konflikte zu stoppen und sich gemeinsam auf den wahren Kampf unseres Lebens zu konzentrieren.
Den Kriegsparteien sage ich:
Ziehen Sie sich aus den Kampfhandlungen zurück.
Legen Sie Misstrauen und Feindseligkeit beiseite.
Bringen Sie die Waffen zum Schweigen; stoppen Sie die Artillerie; beenden Sie die Luftangriffe.
Das ist entscheidend...
Um Korridore für lebensrettende Hilfe zu schaffen.
Um wertvolle Fenster für die Diplomatie zu öffnen.
Um Hoffnung an Orte zu bringen, die am stärksten von COVID-19 bedroht werden.
Lassen wir uns von Koalitionen und Dialogen inspirieren, die sich langsam zwischen rivalisierenden Parteien herausbilden, um gemeinsame Ansätze gegen COVID-19 zu ermöglichen. Aber wir brauchen noch viel mehr.
Wir müssen das Leiden des Krieges beenden und die Krankheit bekämpfen, die unsere Welt verwüstet.
Es beginnt damit, dass wir überall die Kämpfe einstellen. Und zwar sofort.
Das ist es, was unsere menschliche Familie braucht. Jetzt mehr denn je.
UNIS/SGSM/998
20. März 2020
20. März 2020 - UN-Generalsekretär António Guterres hat die Staatengemeinschaft aufgefordert, im Kampf gegen das COVID-19-Virus Einigkeit zu zeigen.
"Unsere Welt steht vor einem gemeinsamen Feind. Wir befinden uns im Krieg mit einem Virus", sagte der Generalsekretär am Donnerstag (19. März) bei einer virtuellen Pressekonferenz im UN-Hauptquartier in New York. Er warnte davor, dass die derzeitigen Reaktionen auf Länderebene dem globalen Ausmaß und der Komplexität der Krise nicht gerecht würden und rief zu multilateralen Anstrengungen zur Bekämpfung des Virus auf. Der Generalsekretär forderte zu Zusammenhalt auf, während immer mehr Staaten, auch in der EU, ihre Grenzen schließen.
"Die Reisebeschränkungen sind verständlich, weil die Ausbreitung der Krankheit eingedämmt werden muss. Aber es ist auch sehr wichtig, dass die Menschen gleichzeitig das Bedürfnis nach Solidarität spüren. Es ist sehr wichtig, gegen Falschmeldungen und Kampagnen in sozialen Medien vorzugehen, mit denen versucht wird, Angst zu verbreiten und Spaltungen zu schaffen", sagte er.
Die Bewältigung des Gesundheitsnotstands sei einer der Schlüsselbereiche, der zur Bekämpfung des Virus notwendig sei, sagte der Generalsekretär. Er fügte hinzu, er sei besorgt darüber, dass viele Länder die Kapazität zur Versorgung selbst leichter Fälle überschritten hätten und nicht in der Lage seien, auf die enormen Bedürfnisse der älteren Menschen zu reagieren.
"Selbst in den wohlhabendsten Ländern sehen wir, wie die Gesundheitssysteme unter Druck zusammenbrechen. Die Gesundheitsausgaben müssen sofort aufgestockt werden, um den dringenden Bedarf und den Nachfrageschub zu befriedigen", sagte er und forderte eine Ausweitung der Tests, eine Stärkung der Einrichtungen, eine größere Unterstützung des Gesundheitspersonals und die Sicherstellung einer angemessenen Versorgung.
Wirtschaftliche Reaktion und Erholung
"Die Industriestaaten sollten auch den Ländern Hilfe gewähren, die weniger gut in der Lage sind, die Krise zu bewältigen", forderte der Generalsekretär.
"Ein wohlhabendes Land darf nicht die Position einnehmen, dass es nur für seine eigenen Bürger da ist. Es liegt im eigenen Interesse, zu einer globalen Reaktion beizutragen", sagte er und warnte davor, dass das Virus Millionen von Menschen zu töten drohe, insbesondere in den am stärksten gefährdeten Gebieten.
Der Generalsekretär rief die Länder auch dazu auf, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und das Pariser Abkommen über den Klimawandel als Handlungsrahmen für die Erholung von der Krise zu nutzen.
"Wir müssen unsere Versprechen für die Menschen und den Planeten einhalten", sagte er. "Mehr als je zuvor brauchen wir Solidarität, Hoffnung und den politischen Willen, diese Krise gemeinsam zu bewältigen."
Die durch das Coronavirus - COVID-19 - verursachte Unruhe umgibt uns alle. Und ich weiß, dass viele ängstlich, besorgt und verwirrt sind. Das ist völlig normal.
Wir sind mit einer Gesundheitsbedrohung konfrontiert, wie wir sie noch nie in unserem Leben erfahren haben.
Inzwischen breitet sich das Virus aus, die Gefahr wächst und unsere Gesundheitssysteme, unsere Wirtschaft und unser tägliches Leben werden auf eine harte Probe gestellt.
Die verletzlichsten Menschen sind die am stärksten Betroffenen - vor allem unsere älteren Menschen und diejenigen mit bereits bestehenden Krankheiten; diejenigen, die keinen Zugang zu einer zuverlässigen Gesundheitsversorgung haben und diejenigen, die in Armut oder am Rand der Gesellschaft leben.
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Kombination aus Pandemie und sich abschwächender Wirtschaft werden die meisten von uns einige Monate lang betreffen.
Aber die Ausbreitung des Virus wird ihren Höhepunkt erreichen. Unsere Volkswirtschaften werden sich erholen.
Bis dahin müssen wir gemeinsam handeln, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und uns gegenseitig zu schützen.
Dies ist eine Zeit der Besonnenheit, nicht der Panik. Wissenschaft, nicht Stigmatisierung. Fakten, nicht Angst.
Auch wenn die Situation als Pandemie eingestuft wurde, ist sie eine, die wir kontrollieren können. Wir können Übertragungen verlangsamen, Infektionen verhindern und Leben retten. Aber dazu sind beispiellose persönliche, nationale und internationale Maßnahmen erforderlich.
COVID-19 ist unser gemeinsamer Feind. Wir müssen diesem Virus den Krieg erklären. Das bedeutet, dass die Länder die Verantwortung haben, mehr zu tun, sich zu rüsten und sich zu verstärken.
Und wie? Durch die Umsetzung wirksamer Eindämmungsstrategien, durch die Aktivierung und Verbesserung der Notfallreaktionssysteme, durch die dramatische Erhöhung der Testkapazitäten und der Versorgung der Patienten sowie die Vorbereitung der Krankenhäuser. Es muss Sorge dafür getragen werden, die entsprechenden Kapazitäten und das entsprechende Personal zu haben, damit lebensrettende medizinische Maßnahmen gewährleistet werden können.
Wir alle haben auch eine Verantwortung - wir müssen den medizinischen Rat befolgen und einfache, praktische Schritte unternehmen, die von den Gesundheitsbehörden empfohlen werden.
Das Virus ist nicht nur eine Krise des öffentlichen Gesundheitswesens, sondern infiziert auch die Weltwirtschaft.
Die Finanzmärkte sind von der Unsicherheit hart getroffen, globale Lieferketten sind gestört worden. Investitionen und Verbrauchernachfrage sind eingebrochen - mit einem realen und steigenden Risiko einer globalen Rezession.
Ökonomen der Vereinten Nationen schätzen, dass das Virus die Weltwirtschaft in diesem Jahr mindestens eine Milliarde US-Dollar kosten könnte - und vielleicht noch viel mehr.
Kein Land kann das allein bewältigen. Mehr denn je müssen die Regierungen zusammenarbeiten, um die Wirtschaft wiederzubeleben, die öffentlichen Investitionen auszuweiten, den Handel anzukurbeln und gezielte Unterstützung für die Menschen und Gemeinschaften zu gewährleisten, die am stärksten von der Krankheit betroffen oder anfälliger für die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen sind - einschließlich der Frauen, die oft eine unverhältnismäßig hohe Last an Pflegearbeit tragen.
Eine Pandemie macht die wesentliche Verflechtung unserer Menschheitsfamilie deutlich. Die weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern ist eine gemeinsame Verantwortung für uns alle.
Die Vereinten Nationen - einschließlich der Weltgesundheitsorganisation - sind voll mobilisiert.
Als Teil unserer Menschheitsfamilie arbeiten wir rund um die Uhr mit den Regierungen zusammen, bieten internationale Beratung und helfen der Welt, diese Bedrohung zu bewältigen.
Wir sind gemeinsam in dieser Situation - und wir werden das gemeinsam durchstehen.
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António Guterres ist Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Eine Version des Artikels wurde in Der Standard am 17. März 2020 veröffentlicht.
UNIS/VIC/223
12. März 2020
WIEN, 12. März (UNO-Informationsdienst) - Unter Berücksichtigung der Maßnahmen der österreichischen Behörden und des Vienna International Centre (VIC) Medical Service haben die vier größten in Wien ansässigen Organisationen entschieden und angeordnet, dass alle Angestellten von Montag, dem 16. März bis Freitag, dem 3. April von Zuhause aus arbeiten sollen.
Jede Organisation im Vienna International Centre (VBOs) wird jene kontaktieren, die nicht aus der Ferne arbeiten können.
Nur Angestellte, deren Anwesenheit erforderlich ist, und die von den VBOs ausgewiesen wurden, können vom VIC aus arbeiten. Angestellte, deren Anwesenheit nicht erforderlich ist, sowie Besucher haben keinen Zutritt zum VIC während dieser Zeit.
Diese Maßnahme wird vor dem 3. April verifiziert, unter Berücksichtigung der sich entwickelnden Situation und der Empfehlungen der Behörden.
Die Anweisung gilt nur für jene Angestellten, die in Österreich stationiert sind. Jene VBOs mit Aussenstellen werden mit ihren Mitarbeitern an ihren Orten Kontakt aufnehmen.
Die Leiter und Leiterin weisen ihre Angestellten weiters an, alle nicht wichtigen Reisen mit Wirkung von Montag, dem 16. März 2020 zu unterlassen. Notwendige Dienstreisen unterliegen der Genehmigung der Leiter der jeweiligen VBO.
Die Maßnahmen wurden auf medizinischer Empfehlung hin umgesetzt, zum Wohl der Mitarbeiter und ihrer Familien als oberste Priorität. Als Teil der Gemeinschaft unseres Gastlandes Österreich können wir alle dazu beitragen, die Verbreitung von COVID-19 versuchen einzudämmen und das Risiko der Übertragung im VIC und anderswo zu reduzieren.
UNIS/VIC/222
11. März 2020
WIEN, 11. März (UNO-Informationsdienst) - Die Leiter und Leiterin der vier größten in Wien ansässigen Organisationen im Vienna International Centre (VIC) kündigten heute eine Reihe von Massnahmen an, um das Risiko einer Ansteckung mit dem COVID-19 all jener Menschen im VIC und besonders der gefährdeten Gruppen zu verringern. Gefährdet sind vor allem Menschen über 65 und jene mit gesundheitlichen Problemen, die ein höheres Risiko haben. Die Gesundheit der Angestellten und Besucher im VIC bleibt oberste Priorität.
Als Teil der Massnahmen, die die Öffentlichkeit betreffen, hat der Besucherdienst des UN-Informationsdienstes (UNIS) Führungen und Vortragsprogramme ausgesetzt. Private Besucher haben keinen Zutritt zum VIC. Grundsätzlich werden Meetings und Events mit mehr als 100 Personen nicht abgehalten. Die Massnahmen treten mit sofortiger Wirkung, bis auf Widerruf, in Kraft.
Die vier größten im VIC ansässigen Organisationen sind das Büro der Vereinten Nationen in Wien, das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, die Internationale Atomenergie-Organisation, die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung, und die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen.