SG/SM/10257
HR/4877
OBV/533
9. Dezember 2005
UNO-Generalsekretär Kofi Annan:
Folter, ein Instrument des Terrors, kann niemals im Kampf gegen den Terror eingesetzt werden
Erklärung zum Tag der Menschenrechte, 10. Dezember 2005
VEREINTE NATIONEN/NEW YORK, 9. Dezember - 58 Jahre nachdem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte jegliche Form von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung verboten hat, ist Folter nach wie vor inakzeptabel verbreitet. In letzter Zeit zeigte sich ein besonders beunruhigender Trend in Ländern, die auf Grundlage ihrer eigenen nationalen Sicherheitsauffassungen Ausnahmen vom Folterverbot verlangten.
Seien wir uns klar darüber: Folter kann niemals ein Werkzeug im Kampf gegen den Terror sein, denn Folter ist selbst ein Werkzeug des Terrors.
Das Folterverbot ist im internationalen Recht klar verankert. Es ist ebenso eindeutig wie uneingeschränkt. Es ist für alle Staaten in allen Territorien unter deren Rechtssprechung oder effektiver Kontrolle bindend. Es gilt unter allen Umständen, in Kriegs- ebenso wie in Friedenszeiten. Folter ist auch dann nicht erlaubt, wenn sie anders benannt wird: grausame und unmenschliche Behandlung ist unannehmbar und illegal, ganz gleich welchen Namen wir ihr geben.
Staaten müssen dieses Verbot akzeptieren und energisch jeden bestrafen, der Folter anwendet. Jene, die jegliche Form von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ersinnen oder erlauben und jene, die solche Akte ausführen, sollen nicht ungestraft davon kommen. Ebenso wenig soll ein Staat Folter durch Dritte verzeihen. Das heisst, dass Einzelpersonen niemals einem anderen Staat übergeben werden dürfen, wenn die Gefahr besteht, dass sie dadurch Folter ausgesetzt werden könnten.
Die internationale Gemeinschaft muss sich mit Nachdruck, und mit einer Stimme, gegen Folter in all ihren Formen aussprechen. Ich appelliere heute an alle Staaten, die das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ebenso wie das Fakultativprotokoll zum Folterübereinkommen bis jetzt noch nicht unterzeichnet haben, dies zu tun. Und ich dränge alle Staaten, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen gegen Folter freien Zutritt zu Gefangenen unter ihrer Kontrolle zu gewähren. Ungehindeter Zutritt ist ein wichtiger Schutz für diese Menschen, die durch Isolation für Missbrauch besonders gefährdert sind. Gemeinsam müssen wir misshandelten Strafgefangenen ebenso wie allen Opfern und Überlebenden von Folter Gehör und Wiedergutmachung verschaffen.
Die Menschheit sieht sich heute erheblichen Herausforderungen gegenüber. Die Bedrohung durch Terror ist real und unmittelbar. Die Angst vor Terroristen kann jedoch niemals die Aneignung ihrer Methoden rechtfertigen, noch können wir gleichgültig gegenüber der weiten Verbreitung von grausamer und unmenschlicher Bestrafung sein, die in so vielen unserer Gesellschaften unverhältnismäßig die Verwundbarsten trifft: die Gefangenen, die politisch Machtlosen und die wirtschaftlich Entmachteten. Ganz im Gegenteil, wir müssen auf dieses Übel reagieren, wo immer wir es antreffen, indem wir uns wieder auf die grundlegendsten Werte der Menschlichkeit besinnen.
Lassen Sie uns heute, am Tag der Menschenrechte, erneut auf die Prinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verweisen und lassen Sie uns uns mit neuer Kraft der Auslöschung dieser Plage der Folter auf der Erde widmen.
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